Kämpfe in Syrien gehen trotz Waffenruhe weiter
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Nach USA-Türkei-Deal:Kämpfe in Syrien gehen trotz Waffenruhe weiter

Erdogans Offensive in Nordsyrien
Syrien verlegt Truppen an türkische Grenze

Nach dem Abzug der US-Soldaten aus Nordsyrien hat die syrische Regierung auf Bitten der kurdischen Autonomieverwaltung Truppen an die türkische Grenze geschickt. Die syrischen Truppen rückten am Montag unter dem Applaus von Einwohnern in die Stadt Tal Tamr ein.
Publiziert: 14.10.2019 um 12:41 Uhr
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Aktualisiert: 15.10.2019 um 09:46 Uhr

Das berichteten Reporter der Nachrichtenagentur AFP. Tal Tamr liegt 30 Kilometer von der Grenzstadt Ras al-Ain entfernt, wo es weiterhin heftige Gefechte der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) gegen die türkische Armee gab. Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, die Panzer Assads seien auch in die Nähe von Manbidsch, Tabka und Ain Issa vorgerückt.

Krieg in Syrien

Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.

Fast jede dritte weltweit verkaufte Waffe hatte in den vergangenen fünf Jahren einen Abnehmer im Nahen Osten. (Symbolbild)
Fast jede dritte weltweit verkaufte Waffe hatte in den vergangenen fünf Jahren einen Abnehmer im Nahen Osten. (Symbolbild)
KEYSTONE/AP/STR

Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.

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Kurden verbünden sich mit syrischen Regierungstruppen

Da die YPG zunehmend an Boden verloren hatte, schloss die kurdische Autonomieverwaltung am Sonntagabend nach Vermittlung durch Russland eine Vereinbarung mit dem Assad-Regime in Damaskus, Truppen an die Grenze zu schicken, um gemeinsam die türkische Armee zurückzuschlagen.

Syrische Regierungssoldaten sind am Montag auch in der Stadt Tall Tamar nordwestlich von Al-Hassaka angekommen.
Foto: SANA HANDOUT
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Die Kurden reagierten damit auf die Ankündigung der USA, ihre Soldaten aus der Region abzuziehen, da sie zwischen die Fronten zu geraten drohten. Ein US-Vertreter sagte am Montag, rund 1000 Soldaten würden das Land verlassen. Nur 150 Soldaten würden auf der Basis al-Tanf im Süden Syriens, an der Autobahnverbindung zwischen Damaskus und und der irakischen Hauptstadt Bagdad, bleiben.

Türkei will «Sicherheitszone» im Norden

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan begrüsste die Entscheidung zum Abzug. Zugleich machte er klar, dass die Türkei weiterhin anstrebe, mit verbündeten syrisch-arabischen Milizen die Kontrolle über die Städte Manbidsch und Kobane zu übernehmen.

Die YPG wurde über Jahre von den USA im Kampf gegen die Dschihadisten der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit Waffen, Luftangriffen und Spezialkräften unterstützt. Nach einem Telefongespräch mit Erdogan Anfang Oktober hatte US-Präsident Trump aber den Rückzug der US-Truppen angekündigt.

Mit dieser auch von etlichen hochrangigen US-Politikern als Verrat angesehenen Abkehr von den Kurden machte Trump den Weg frei für die türkische Offensive zur Schaffung einer «Sicherheitszone» in Nordsyrien.



Warum startete Erdogan eine Offensive gegen Kurden?

Ankara sieht die Präsenz der YPG an ihrer Grenze als Bedrohung, da sie eng verbunden ist mit den Rebellen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in der Türkei. Die Autonomie der syrischen Kurden ist der Türkei schon lange ein Dorn im Auge. Mit der Rückkehr der syrischen Regierungstruppen in die Kurdengebiete im Nordosten steht die kurdische Autonomie nun aber vor dem Ende.

Tausende Menschen auf der Flucht

Auch am sechsten Tag der Offensive gab es weiterhin heftige Kämpfe. Nach Uno-Angaben wurden mindestens 160'000 Menschen durch die Offensive vertrieben. Nach Zählung der Beobachtungsstelle wurden auf syrischer Seite 128 YPG-Kämpfer und 69 Zivilisten getötet, während vier türkische Soldaten und 94 verbündete Milizionäre starben. Auch 18 Zivilisten wurden auf türkischer Seite getötet.

Keine gemeinsamen EU-Sanktionen

International lässt die Kritik an dem türkischen Angriff nicht nach. Allerdings konnten sich die EU-Aussenminister bei einem Treffen in Luxemburg nicht auf ein EU-weites Waffenembargo einigen. Sie verwiesen lediglich auf die Entscheidung mehrerer Mitgliedsstaaten - darunter Frankreich, Deutschland und Italien - zur Einstellung der Rüstungsexporte und riefen Ankara erneut auf, die Offensive zu stoppen und die Truppen abzuziehen.

Sorge um erneutes Erstarken des IS

Trump warf den Kurden derweil vor, IS-Anhänger aus der Haft zu entlassen, um die USA in den Konflikt hineinzuziehen. Die Türkei und die europäischen Herkunftsstaaten könnten sie aber leicht wieder einfangen, schrieb Trump auf Twitter. Auch Ankara beschuldigte die YPG, vor Ankunft der türkischen Truppen inhaftierte Dschihadisten aus einem Gefängnis in Tal Abjad freigelassen zu haben.

Die Verwaltung der kurdischen Autonomieregion in Nordsyrien hatte a Sonntag gemeldet, dass in der Folge der türkischen Offensive fast 800 Frauen und Kinder von IS-Kämpfern aus einem Lager bei Ain Issa entwichen seien. Seit Beginn der Offensive besteht die Befürchtung, dass Tausende inhaftierte IS-Kämpfer und ihre Angehörigen die Chance zur Flucht aus kurdischer Haft nutzen. (SDA)

Krieg in Syrien: Wer kämpft gegen wen?

Seit 2011 tobt der Krieg in Syrien. Zeitweise sah es so aus, als verliere Präsident Baschar al-Assad seine Macht. Mittlerweile aber konnten Regierungsgruppen grosse Gebiete des Landes wieder einnehmen. Ein Überblick:

  • Syrische Regierung
    Assads Anhänger kontrollieren fast den gesamten westlichen Teil des Landes von Aleppo im Norden über das Zentrum um die Hauptstadt Damaskus bis zur Stadt Daraa im Süden, wo der Aufstand im Frühjahr 2011 begonnen hatte. Regierungstreue Kräfte beherrschen damit den grössten Teil der noch verbliebenen Einwohner und die wichtigsten Städte. Allerdings ist die Armee dabei auf Hilfe angewiesen.
    Das sind einerseits lokale Milizen, die oft von Kriegsherren kommandiert werden. Dazu zählen aber auch ausländische schiitische Milizen, die vom Iran unterstützt werden, wie die Hisbollah aus dem Libanon. Russlands Armee unterstützt die Regierung mit Luftangriffen.

  • Die Rebellen
    Eine ihrer letzten verbliebenen Hochburgen ist die Region um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens. Eine der stärksten bewaffneten Gruppen dort ist die Organisation Tahrir al-Scham (HTS), die früher zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehörte. In dem Gebiet leben auch mehr als eine Millionen Menschen, die aus anderen Regionen vor den Assad-Truppen geflohen sind. Die humanitäre Lage ist schwierig.

  • Die Türkei
    Gemeinsam mit syrischen Rebellen beherrschen Ankaras Truppen ein Gebiet nördlich von Idlib rund um die Stadt Afrin. Die türkische Armee war hier im Frühjahr einmarschiert und hatte die Kurdenmiliz YPG vertrieben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht nun mit einer neuen Offensive gegen die Kurden.

  • Die Kurden
    Sie beherrschen grosse Gebiete im Norden und Osten Syriens und haben eine Selbstverwaltung errichtet. Die Kurdenmiliz YPG führt eine Koalition an, zu der auch lokale arabische Gruppen gehören. Die so genannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) bekämpfen nahe der Grenze zum Irak einer der letzten Bastionen des IS. Die Kurden kontrollieren auch die wichtigsten Ölvorräte des Bürgerkriegslandes.

  • Die USA
    Washington hat etwa 2000 Mann im Land, die die YPG und SDF unterstützen, unter anderem mit Ausbildung. Als Hauptziel nennen sie die Zerschlagung des IS. Die USA führen auch eine internationale Koalition an, die Luftangriffe auf die Extremisten fliegt. Trump liess die US-Truppen im Oktober 2019 abziehen und brach die Unterstützung der kurdischen Kämpfer ab.

  • Der IS
    Die Terrormiliz Islamischer Staat hat ihr früheres Herrschaftsgebiets fast vollständig verloren. Im Osten kontrolliert sie noch ein kleines Gebiet. In den Wüstenregionen Syriens und auch des Iraks sind aber noch Zellen aktiv, die Terroranschläge verüben.

Seit 2011 tobt der Krieg in Syrien. Zeitweise sah es so aus, als verliere Präsident Baschar al-Assad seine Macht. Mittlerweile aber konnten Regierungsgruppen grosse Gebiete des Landes wieder einnehmen. Ein Überblick:

  • Syrische Regierung
    Assads Anhänger kontrollieren fast den gesamten westlichen Teil des Landes von Aleppo im Norden über das Zentrum um die Hauptstadt Damaskus bis zur Stadt Daraa im Süden, wo der Aufstand im Frühjahr 2011 begonnen hatte. Regierungstreue Kräfte beherrschen damit den grössten Teil der noch verbliebenen Einwohner und die wichtigsten Städte. Allerdings ist die Armee dabei auf Hilfe angewiesen.
    Das sind einerseits lokale Milizen, die oft von Kriegsherren kommandiert werden. Dazu zählen aber auch ausländische schiitische Milizen, die vom Iran unterstützt werden, wie die Hisbollah aus dem Libanon. Russlands Armee unterstützt die Regierung mit Luftangriffen.

  • Die Rebellen
    Eine ihrer letzten verbliebenen Hochburgen ist die Region um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens. Eine der stärksten bewaffneten Gruppen dort ist die Organisation Tahrir al-Scham (HTS), die früher zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehörte. In dem Gebiet leben auch mehr als eine Millionen Menschen, die aus anderen Regionen vor den Assad-Truppen geflohen sind. Die humanitäre Lage ist schwierig.

  • Die Türkei
    Gemeinsam mit syrischen Rebellen beherrschen Ankaras Truppen ein Gebiet nördlich von Idlib rund um die Stadt Afrin. Die türkische Armee war hier im Frühjahr einmarschiert und hatte die Kurdenmiliz YPG vertrieben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht nun mit einer neuen Offensive gegen die Kurden.

  • Die Kurden
    Sie beherrschen grosse Gebiete im Norden und Osten Syriens und haben eine Selbstverwaltung errichtet. Die Kurdenmiliz YPG führt eine Koalition an, zu der auch lokale arabische Gruppen gehören. Die so genannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) bekämpfen nahe der Grenze zum Irak einer der letzten Bastionen des IS. Die Kurden kontrollieren auch die wichtigsten Ölvorräte des Bürgerkriegslandes.

  • Die USA
    Washington hat etwa 2000 Mann im Land, die die YPG und SDF unterstützen, unter anderem mit Ausbildung. Als Hauptziel nennen sie die Zerschlagung des IS. Die USA führen auch eine internationale Koalition an, die Luftangriffe auf die Extremisten fliegt. Trump liess die US-Truppen im Oktober 2019 abziehen und brach die Unterstützung der kurdischen Kämpfer ab.

  • Der IS
    Die Terrormiliz Islamischer Staat hat ihr früheres Herrschaftsgebiets fast vollständig verloren. Im Osten kontrolliert sie noch ein kleines Gebiet. In den Wüstenregionen Syriens und auch des Iraks sind aber noch Zellen aktiv, die Terroranschläge verüben.
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