«Die Grenznähe ist sicher auch ein Faktor»
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Soziologe Lukas Ott erklärt:«Die Grenznähe ist sicher auch ein Faktor»

Stadtentwickler erklärt
So verhindern wir, dass aus unseren Städten Hotspots werden

Wie kann ein Stadtteil in die Kriminalität abdriften? Lukas Ott, Basler Stadtentwickler und Soziologe, weiss es. Um Problemregionen in Basel, Schaffhausen und Wil wieder zu beruhigen, schlägt er unter anderem vor, das Arbeitsverbot von Asylbewerbern zu überdenken.
Publiziert: 04.10.2023 um 00:13 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2023 um 08:30 Uhr
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Matthias KempfReporter Blick

Eine Allee, in der Polizisten angegriffen werden. Ein Bahnhof, an dem die Gewalt eskaliert. Ein Park, in dem junge Erwachsene mit Messern aufeinander losgehen. Die aktuellen Beispiele aus Wil, Schaffhausen und Basel zeigen: Viele Schweizer Städte haben Hotspots, an denen Gewalt und Kriminalität an der Tagesordnung scheinen.

Doch was braucht es, damit ein Ort der öffentlichen Kontrolle entgleitet und zum Unsicherheitsherd wird? Lukas Ott (57), Soziologe und Stadtentwickler von Basel, weiss es. Der ehemalige Stadtpräsident von Liestal BL sagt, es sei nicht alleine die Präsenz von Randständigen: «In jeder Stadt gibt es marginalisierte Leute, die das Bedürfnis nach einer Tagesstruktur haben.» Randständige Personen würden sich nun mal gut frequentierte Orte wie einen Bahnhof aussuchen, wo sie sich treffen und etwas erleben können.

«Erst wenn sich bestimmte Nutzergruppen wie Dealer oder Drogenkonsumenten übermässig eines Ortes bemächtigen und kriminelle Aktivitäten ausüben, wird ein Treffpunkt zu einem Hotspot», sagt Ott. Oft seien diese Orte peripher gelegen, wo die soziale Kontrolle nicht so stark ist. Wie zum Beispiel eine Allee neben einem Bahnhof oder ein Park in einem nicht ganz zentralen Viertel.

Lukas Ott ist Basler Stadtentwickler und Soziologe.
Foto: Kempf Matthias (kpm)
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Ein Hotspot leidet immer unter Mehrfach-Belastung

Der übermässige Konsum von Alkohol und Drogen sei fast immer ein Phänomen eines Hotspots. Auch neue Entwicklungen auf dem Drogenmarkt haben gemäss Ott einen Einfluss: «Zum Beispiel Crack. Diese Droge wird in letzter Zeit immer häufiger in der ganzen Schweiz festgestellt und an solchen Orten konsumiert.»

Stadtentwickler Ott sieht weitere Faktoren: «Einrichtungen wie Drogenabgabestellen oder Asylzentren begünstigen in ihrem Zusammenwirken unter Umständen das Entstehen von Hotspots.» Wie stark und inwiefern solche Institutionen konzentriert in einem Quartier Problemzonen begünstigen würden, werde derzeit in Basel untersucht. Fest stehe aber, ein Faktor genügt nie, damit ein Gebiet abdriftet. Sei eine Szene aber erst einmal etabliert, ziehe sie weiteres ähnliches Klientel an.

Antwort: Repression und soziale Angebote

Wie bricht man dann den Teufelskreis? Ott: «Es braucht einerseits Repressionen der Polizei, andererseits auch soziale Angebote, die die Menschen auffangen und die Ursachen bekämpfen.» Schwieriger sei dies allerdings bei Menschen, die keinen geregelten Aufenthaltsstatus in der Schweiz hätten. So wie viele der jungen Männer aus Nordafrika in der Dreirosenanlage in Basel.

Lukas Ott sieht hier die fehlende Tagesstruktur als Hauptfaktor. Er kritisiert die Politik: «Das Arbeitsverbot von Asylsuchenden oder auch abgewiesenen Asylsuchenden, die auf ihre allfällige Rückführung warten, ist ein grosses Problem.» Ungewissheit und Perspektivlosigkeit seien eine gefährliche Mischung. «Der Kanton Basel-Stadt wird deshalb in Bern vorstellig werden und erwartet vom Bund in dieser Angelegenheit Lösungen.»

Solche Massnahmen seien nötig, um eine Verbesserung der Situation zu bewirken, sagt Ott. «Das verlorene Sicherheitsgefühl wieder herzustellen, ist ein langwieriger Prozess, der möglichst schnell gestartet werden muss.» Lukas Ott ist zuversichtlich, dass diese in der Schweiz gelingen wird. «Diese Hotspots werden nicht die neue Normalität in unseren Städten.»

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