So funktioniert die Schweizer Pokémon-Go-Szene

Liest man über Pokémon Go, liest man meist über Ereignisse aus den USA, Australien oder Neuseeland. Aber auch in der Schweiz geht so einiges ab!
Publiziert: 26.02.2019 um 09:01 Uhr

Nach den USA und Australien kommt jetzt auch Deutschland in den Genuss eines offiziellen Pokémon-Go-Releases. Obwohl das Spiel in der Schweiz noch nicht in den App-Stores erhältlich ist, wird schon fleissig gezockt. (Hier die Anleitung zum Runterladen) Innerhalb weniger Tage schossen Facebook-Gruppen aus dem Boden, die inzwischen extrem aktiv sind und als Plattform für den Austausch zwischen Schweizer Pokémon-Trainern dienen. Das Spiel verbindet Menschen wie kein Videospiel bisher.

Für alle, denen Pokémon Go noch ein Fremdwort ist, hier kurz eine Erklärung: Im Handyspiel Pokémon Go suchen Spieler mit Hilfe von GPS Pokémon in der realen Welt. Die gefangenen Pokémon können weiterentwickelt werden und in sogenannten Arenen gegeneinander kämpfen. Als Spieler ist man entweder im Team Rot, Blau oder Gelb.

Man redet wieder miteinander

Titelbild der Facebook-Gruppe «Pokémon Go Switzerland».
Die Pokémon-Trainer vom Blick am Abend-Team
Foto: ZVG

Das, was Pokémon Go von anderen Videospielen unterscheidet, ist der ausgeprägte Lokalbezug. Man findet nirgends im Internet schon zwei Wochen vor der Veröffentlichung des Spiels eine Komplettlösung, wo welches Monster zu finden ist. Wie früher muss man mit anderen Spielern sprechen, wenn man wissen will, wo sich Pikachu und Co. gerade aufhalten. Das fördert den Austausch zwischen Spielern und sorgt für ein Gefühl von Zusammengehörigkeit.

Die zwei Facebook-Gruppen Pokémon Go Switzerland und Pokémon Go Schweiz - Community zählten in wenigen Tagen über 1000 Mitglieder - und wachsen fröhlich weiter. Viel eindrücklicher als die Zahl der Nutzer ist ihre Aktivität. Zu Spitzenzeiten erscheinen mehrere Posts pro Viertelstunde. Davon sind viele Tipps oder Aufrufe wie «Habe Pokémon X hinter dem Bahnhof Oerlikon gesehen», oder «Team Rot braucht Hilfe beim Bundesplatz». Natürlich wird auch Neulingen geholfen, die noch nicht mit dem Spiel klarkommen. Dabei ist der Ton stets freundlich - ein grosser Unterschied zu anderen Videospielen.

Meine Farbe ist besser als deine Farbe

Die drei Teams Intuition (gelb), Weisheit (blau) und Wagemut (rot).
Foto: Niantic

Die drei Teams sorgen für freundschaftliche Rivalität. Nimmt ein Spieler eine Arena ein, erstrahlt sie neu in der Farbe seines Teams. So können die drei Fraktionen ihr «Gebiet markieren». Natürlich bildeten sich auch hier wieder Facebook- und Whatsapp-Gruppen. Auch dort suchen Leute den Kontakt. «Leute aus Olten Lust heute Abend Pokémon zu fangen?», «Lüüt us Lenzburg/Rupperswil doo?» oder «brauche Unterstützung in Pratteln gegen die Roten» lesen sich einige Posts in der blauen Facebook-Gruppe. Anscheinend wurden schon Spione in Facebook-Gruppen anderer Teams eingeschläust, die dem eigenen Team berichten sollen, wo die anderen bald Arenen erobern wollen.

Klingt alles etwas zu weit hergeholt? Heute am Zürcher Seebecken habe ich eine Arena erobert (für Team Blau natürlich), kurz darauf kommen mir drei Jungs entgegen, Blick aufs Handy gerichtet - sie verstärken die Verteidigung meiner eroberten Arena, sind auch Team Blau. Ich grüsse sie, wir tauschen einige Worte aus, ich ziehe weiter zur nächsten Arena. Wenige Minuten später kommt mir eine weitere Gruppe entgegen (man erkennt mit der Zeit andere Pokémon-Go-Spieler ganz gut). «Die blauen haben Platz XY erobert, schnell, holen wir ihn uns zurück», höre ich sie sagen. Wenige Minuten später hat die Arena die Farbe gewechselt und ist jetzt rot.

Die Quaibrücke wurde von Team Wagemut eingenommen.
Foto: ZVG

Gemeinsam ans Ziel

Die Rivalität ist aber immer freundschaftlich. Schlussendlich haben alle das selbe Ziel: der Allerbeste sein. An bestimmten Orten, sogenannten Pokéstops, können Spieler Lockmodule aufstellen, die wilde Pokémon anziehen. Diese Module helfen allen Spielern, die in der Nähe stehen, egal, welchem Team sie angehören. An vielfrequentierten Orten wie dem Zürcher Bellevue sieht man oft eine Ansammlung Lockmodule und eine kleine Menschentraube darum - alles Pokémon-Spieler. Junge, Alte, Männer, Frauen, Studierte, Arbeiter. Am Mittwoch, 13. Juli, hat ein Spieler sogar einen Event auf dem Bundesplatz geplant. Er habe sich 80 Lockmodule besorgt und werde sie ab 16:30 an den drei Pokéstops am Bundeshaus aufstellen, alle Pokémon-Trainer seien willkommen.

Einige Pokéstops mit Lockmodulen um das Zürcher Bellevue.
Foto: ZVG

Diese Tatsache fasst meine Antwort zusammen, wenn mich jemand fragt, warum dieses Pokémon Go so toll sei. In einer Zeit, in der jeder alles über ein neues Game schon wissen kann, bevor es veröffentlicht wurde, behält Pokémon Go eine Prise Mystik, wie wir sie nur von früher kennen. Wie auf dem Pausenplatz werden Gerüchte ausgetauscht, Gruppen gebildet, zusammen über Taktiken gesprochen. Ich wage zu behaupten, dass noch kein Videospiel so schnell Leute offline zusammengebracht hat wie Pokémon Go. Und es ist noch nicht mal offiziell in der Schweiz erschienen.

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