Deshalb fährt Ivan Richner auf dem Trottoir
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200-Franken-Busse:Deshalb fährt Ivan Richner auf dem Trottoir

Zeitungsverträger verzeigt, weil er morgens um 4 auf dem Trottoir fuhr
Bussen-Blödsinn in Bülach

Täglich steht Ivan Richner (48) um drei Uhr auf, um in Bülach ZH Zeitungen zu verteilen. Nun erhielt er zwei Bussen fürs Fahren auf dem Trottoir. Die Bussen ärgern ihn. Auch Kantonsrat Claudio Schmid (SVP) plädiert für mehr Toleranz.
Publiziert: 21.05.2019 um 23:40 Uhr
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Aktualisiert: 28.04.2022 um 14:14 Uhr
Céline Trachsel

Ivan Richner (48) aus Höri ZH ist kein reicher Mann: Sechs mal die Woche steht er um drei Uhr auf, um in Bülach ZH den BLICK, den «Zürcher Unterländer», den «Landboten» und den «Tagi» zu verteilen. Das gibt ihm einen bescheidenen Zustupf zu den Einnahmen, die er mit seiner kleinen Imbiss-Bude im Höremer Industriequartier verdient.

Umso mehr ärgern ihn zwei 100-Franken-Bussen, die ihm letzte Woche ins Haus flatterten. Sein Vergehen: Er befuhr nachts ein Trottoir. «Das ärgert mich sehr. Ich habe ja nur meine Arbeit gemacht. Die Briefkästen stehen nun mal nicht auf der Strasse – und gefährdet habe ich um vier Uhr morgens sicher niemanden», sagt der Verträger zu BLICK. Um diese Zeit begegne er höchstens einmal einem Fuchs.

Eine Woche quasi für nichts die Zeitungen verteilt

Erwischt hat ihn eine Verkehrskamera, die die Stadt Bülach seit Anfang Jahr hoch oben an einer Strassenlaterne befestigt hat. Gedacht ist sie eigentlich dafür, jene Autofahrer zu erfassen, die falsch durch die Einbahnstrasse fahren. Aber: Offenbar hat sie auch das Trottoir im Visier.

Ivan Richner (48) ärgert sich über die zwei Bussen, die ihm die Verkehrskamera auf der Feldstrasse in Bülach eingebrockt hat.
Foto: Céline Trachsel
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«Die 200 Franken Busse schmerzen», sagt Ivan Richner. «Wenn man das umrechnet, habe ich eine Woche lang umsonst Zeitungen verteilt.» Sein persönliches Vorsprechen bei der Stadtpolizei in Bülach änderte nichts – er muss zahlen. «Ich finde das unfair. Es heisst immer, wir sollten schnell arbeiten, alles muss hopphopp gehen. Aber würde ich auf meiner 55-minütigen Tour immer die Strasse benützen und überall total korrekt fahren, hätte ich eine Viertelstunde länger.» Zudem befürchtet Richner, dass der Akku seines Elektrorollers schlappmachen würde, wenn er für seine Tour längere Wege nehmen müsste.

Polizisten sind toleranter als die Kamera

Auch SVP-Kantonsrat Claudio Schmid (48) macht sich für Richner stark. «Klar, rein rechtlich darf man nicht auf dem Trottoir fahren», weiss Schmid. Aber: «Pöstler verletzen diese Verkehrsregel wohl fast täglich, und es wird in der Regel geduldet.» Es sei ja auch ein wenig ein Ermessensentscheid. Er fragt laut: «Will man jemanden wie diesen Zeitungsverträger wirklich bestrafen für so was?»

Auch Ivan Richner versichert: «Ich kenne fast alle Polizisten in Bülach. Wenn sie mich sehen, grüssen sie nett, auch wenn ich auf dem Trottoir fahre. Gebüsst hat mich noch keiner.» Aber eine Kamera könne halt kein Auge zudrücken.

Auf Anfrage bei der Polizei in Bülach wird nur auf das Strassenverkehrsgesetz verwiesen. Darin heisst es: «Das Trottoir ist den Fussgängern vorbehalten.»

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Keine Ausnahmen für Pöstler

Die Gesetzeslage ist klar: Nicht einmal mit Velos darf man auf dem Trottoir fahren. Für Mopeds ist es erst recht verboten. Das gilt auch für die Pöstler.

Es gibt aber eine Ausnahme – wie die damalige Bundesrätin Doris Leuthard 2011 in einer Fragestunde des Nationalrats erklärte: «In einigen Fällen kann die Post auch Bürgersteige benutzen.»

Dieser Fall tritt etwa dann ein, «wenn Pöstler ihrer Pflicht, die Post zu verteilen, nur dann nachkommen können, wenn sie dafür ein Trottoir befahren müssen». 

Die Gesetzeslage ist klar: Nicht einmal mit Velos darf man auf dem Trottoir fahren. Für Mopeds ist es erst recht verboten. Das gilt auch für die Pöstler.

Es gibt aber eine Ausnahme – wie die damalige Bundesrätin Doris Leuthard 2011 in einer Fragestunde des Nationalrats erklärte: «In einigen Fällen kann die Post auch Bürgersteige benutzen.»

Dieser Fall tritt etwa dann ein, «wenn Pöstler ihrer Pflicht, die Post zu verteilen, nur dann nachkommen können, wenn sie dafür ein Trottoir befahren müssen». 

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