«Der Tiger folgte seinem natürlichen Instinkten»
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Chef von Thurgauer Zoo:«Der Tiger folgte seinem natürlichen Instinkten»

Keine Konsequenzen für Irina
«Sie folgte ihren natürlichen Instinkten»

Im Zoo Zürich kam es am Samstagnachmittag zu einem tragischen Vorfall. Eine Tierpflegerin wurde von einem Amurtiger tödlich verletzt. Handelte es sich um eine Angstreaktion des Tigers?
Publiziert: 04.07.2020 um 15:17 Uhr
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Aktualisiert: 07.07.2020 um 09:15 Uhr

Wie der Zoo Zürich mitteilt, wurde eine Tierpflegerin in der Tigeranlage von einem Amurtiger angegriffen. Der Vorfall passierte am Samstag um etwa 13.30 Uhr. Sofort rückte eine Gruppe Tierpfleger zur entsprechenden Anlage aus. Es sei ihnen gelungen, die Tigerin mit Rufen von der Tiefpflegerin wegzulocken.

Ausgerückte Spezialisten von Schutz & Rettung begaben sich darauf sofort in die Tigeranlage, um sich um die verletzte Tierpflegerin zu kümmern. Trotz sofortiger Reanimationsmassnahmen kam für die 55-jährige Frau jede Hilfe zu spät – sie starb noch vor Ort. Für die Besuchenden und die Zoomitarbeitenden, die den Vorfall miterlebten, wurde ein Careteam aufgeboten.

Zoodirektor Severin Dressen (32) spricht von einem hochgradig tragischen Ereignis. «Unser ganzes Mitgefühl gehört den Angehörigen des Opfers», sagt er während einer Medienkonferenz zum Vorfall. Beim Tier handle es sich um eine junge Tigerdame namens Irina. Sie kam 2019 aus Dänemark nach Zürich. Bisher sei sie nie negativ aufgefallen.

Grosses Polizeiaufgebot beim Zoo Zürich: Offenbar kam es zu einem Personenschaden beim Tigergehege.
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Laut dem Zoo Zürich wird die Attacke keine Folgen für Irina haben. Die Tigerdame folgte «ihren natürlichen Instinkten», schreibt der Zoo in einer Mitteilung. Eine Person sei auf der Anlage des Tiers ein Eindringling. Daher habe der Vorfall auch keine Konsequenzen für den Tiger. Gleichzeitig widerspricht der Zoo den Meldungen, dass der Tiger sediert gewesen sei. Dies entspreche nicht der Wahrheit.

Der Zoo wird am morgigen Montag wieder öffnen, der Bereich um die Tigeranlage bleibe aber vorderhand abgesperrt.

Tierpflegerin (55) stirbt nach Tiger-Attacke im Zoo Zürich
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Tödliche Tiger-Attacke:Das sagt der Zoo Zürich zum Vorfall

Kind soll Angriff gesehen haben

Ein Augenzeuge, der rund zwei Minuten nach der Attacke vor Ort war, berichtet davon, dass es rund acht bis neun Minuten dauerte, bis Hilfe vom Zoopersonal eintraf. «Der Tiger hatte die Frau am Genick gepackt», sagt er. Offenbar sei auch ein kleines Kind Zeuge des Angriffs geworden.

Ein anderer Augenzeuge berichtete von vier Polizeiautos sowie von einem Krankenwagen mitten im Zoo. «Die Polizisten rannten mit Pfefferspray und Gummischrot in Richtung eines der Tiergehege», sagt er zu BLICK.

Angstreaktion des Tigerweibchens?

Der tödliche Angriff der Amurtigerin habe nichts mit einer falschen Haltung zu tun, sagte Samuel Furrer, Leiter der Fachstelle Wildtiere beim Schweizer Tierschutz STS, der «NZZ am Sonntag». Der Angriff sei eine normale Reaktion, wenn sich ein anderes Lebewesen in seinem Revier befindet. «Man kann dem Tiger keinen Vorwurf machen», so Furrer. «Der Tiger folgte seinem Instinkt.»

Für den deutschen Tierverhaltensforscher Immanuel Birmelin wiederum deutet der Angriff auf eine Angstreaktion hin. Sonst hätte sich der Tiger nicht so leicht wieder von seinem Opfer weglocken lassen, sagt er der Zeitung.

Tierpflegerin (†55) stirbt nach Tiger-Attacke im Zoo Zürich
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Tigerdame seit 2019 in Zürich:Tierpflegerin stirbt nach Tiger-Attacke im Zoo Zürich

Viele offene Fragen

Eigentlich werden die Tiger im Zoo Zürich ohne menschlichen Kontakt gepflegt. Das heisst, dass Pfleger und Tiger nie im selben Raum sein dürfen. Weshalb dies hier nicht der Fall war, wird nun untersucht. Das Institut für Rechtsmedizin sicherte Spuren, die weitere Untersuchung wird nun von der Staatsanwaltschaft geführt.

Im Zoo Zürich befinden sich auf einer Anlage laut eigenen Angaben zwei erwachsene Amurtiger. Das rund fünfjährige Weibchen Irina und das viereinhalbjährige Männchen Sayan. Der Zürcher Zoo ist seit dem 6. Juni nach dem Corona-Lockdown wieder geöffnet. Aus Pietätsgründen bleibe der Zoo am Sonntag, 5. Juli 2020, aber geschlossen, heisst es in einer Mitteilung.

Es ist dies der zweite Vorfall im Tigergehege in den letzten zwei Jahren. Irinas Vorgängerin, die 14-jährige Elena, war von einem Tigermännchen zu Tode gebissen worden. Zudem wurde erst im Dezember 2019 eine Tierpflegerin von einem Philippinen-Krokodil schwer verletzt. Das Tier biss die Frau in die Hand – das Krokodil musste erschossen werden. (bra/nl/kes/jmh)

Tiger-Angriffe weltweit

Im Dezember 2019 biss ein Krokodil im Zoo Zürich einer Tierpflegerin in die Hand; sie wurde schwer verletzt. Im November 2009 griff ein Bär im Berner Bärenpark einen jungen Mann an; er war in das Freigehege gefallen. Und jetzt der tödliche Angriff des Tigerweibchens auf eine Tierpflegerin: Angriffe von Wildtieren auf Menschen kommen immer wieder vor.

In der Schweiz ist der tragische Vorfall in Zürich der erste bekannte Angriff eines Tigers auf Menschen. Ganz anders im Ausland: Gerade in asiatischen Ländern schlagen Tiger immer wieder zu. Erst im Dezember 2019 kam es auf der indonesischen Insel Sumatra zu einer tödlichen Attacke auf eine 30-jährige Frau.

Auch in Zoos greifen die kräftigen Tiere Menschen an. Im Sommer 2012 entwich eine der Raubkatzen in Köln (D) durch eine offene Sicherheitsschleuse und verletzte eine Pflegerin tödlich. Dem Tiger gelang es gar, das Zoogelände zu verlassen – dann erschoss ihn der Zoodirektor. Nur Wochen später starb im Zoo Münster, ebenfalls in Deutschland, ein erfahrener Tierpfleger nach dem Angriff eines Tigers. Er hatte eine geöffnete Luke übersehen.

Doch nicht immer enden die Angriffe tödlich: 2017 stürzte sich ein Tiger im russischen Kaliningrad auf eine Zoowärterin, die Futter in sein Gehege gebracht hatte. Sie hatte angenommen, dass sich der Tiger in einem geschlossenen Käfig befand.
Mit Steinwürfen brachten Be­sucher das Tier von der Frau ab – sie überlebte mit schweren Verletzungen. Der Zoo liess später verlauten, dass sich der Tiger bei dem Vorfall ganz natürlich verhalten hätte: Sein Revier zu verteidigen sei Teil des natürlichen Instinkts.

2018 wurde ein Beschäftigter eines Tierparks in Deutschland verletzt. Er hatte sich von aussen zu nahe an das Gitter des Tiger­käfigs gewagt: Die Tiere brachten ihm mit ihren starken Pranken schwere Fleischwunden bei.

Menschen sind ihrerseits eine grosse Gefahr für Tiger: Im Verlauf von nicht viel mehr als 100 Jahren rotteten sie die frei lebenden Raubkatzen nahezu vollständig aus.

Im Dezember 2019 biss ein Krokodil im Zoo Zürich einer Tierpflegerin in die Hand; sie wurde schwer verletzt. Im November 2009 griff ein Bär im Berner Bärenpark einen jungen Mann an; er war in das Freigehege gefallen. Und jetzt der tödliche Angriff des Tigerweibchens auf eine Tierpflegerin: Angriffe von Wildtieren auf Menschen kommen immer wieder vor.

In der Schweiz ist der tragische Vorfall in Zürich der erste bekannte Angriff eines Tigers auf Menschen. Ganz anders im Ausland: Gerade in asiatischen Ländern schlagen Tiger immer wieder zu. Erst im Dezember 2019 kam es auf der indonesischen Insel Sumatra zu einer tödlichen Attacke auf eine 30-jährige Frau.

Auch in Zoos greifen die kräftigen Tiere Menschen an. Im Sommer 2012 entwich eine der Raubkatzen in Köln (D) durch eine offene Sicherheitsschleuse und verletzte eine Pflegerin tödlich. Dem Tiger gelang es gar, das Zoogelände zu verlassen – dann erschoss ihn der Zoodirektor. Nur Wochen später starb im Zoo Münster, ebenfalls in Deutschland, ein erfahrener Tierpfleger nach dem Angriff eines Tigers. Er hatte eine geöffnete Luke übersehen.

Doch nicht immer enden die Angriffe tödlich: 2017 stürzte sich ein Tiger im russischen Kaliningrad auf eine Zoowärterin, die Futter in sein Gehege gebracht hatte. Sie hatte angenommen, dass sich der Tiger in einem geschlossenen Käfig befand.
Mit Steinwürfen brachten Be­sucher das Tier von der Frau ab – sie überlebte mit schweren Verletzungen. Der Zoo liess später verlauten, dass sich der Tiger bei dem Vorfall ganz natürlich verhalten hätte: Sein Revier zu verteidigen sei Teil des natürlichen Instinkts.

2018 wurde ein Beschäftigter eines Tierparks in Deutschland verletzt. Er hatte sich von aussen zu nahe an das Gitter des Tiger­käfigs gewagt: Die Tiere brachten ihm mit ihren starken Pranken schwere Fleischwunden bei.

Menschen sind ihrerseits eine grosse Gefahr für Tiger: Im Verlauf von nicht viel mehr als 100 Jahren rotteten sie die frei lebenden Raubkatzen nahezu vollständig aus.

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