Tobias Kuster dank Waffenkauf geschnappt!
BLICK erklärt das Darknet

Der «Fall Seefeld» ist gelöst: Der 23-jährige Tobias Kuster konnte wegen eines versuchten Waffenkaufs im Darknet geschnappt werden. Auch beim Amoklauf in München kam das Darknet ins Spiel. BLICK erklärt es.
Publiziert: 25.01.2017 um 16:03 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 22:31 Uhr
Petar Marjanovic, Simon Marti und Vinzenz Greiner

Der Zürcher Seefeld-Killer Tobias Kuster (23) ist endlich gefasst! Der Erfolg nach monatelangen Ermittlungen klappte zufällig, weil Kuster über das Darknet illegal Waffen kaufen wollte. Erneut Darknet: Auch der Münchner Amokläufer David S. (18) hinterliess Spuren im Darknet, als er seine Mordwaffe kaufte.

Beim Darknet handelt es sich um den versteckten Teil des Internets. Viel braucht es nicht, um sich unter die Gemeinschaft vermeintlicher Dealer und selbst ernannter Hacker zu mischen – und das, ohne Spuren zu hinterlassen. Mit wenigen Klicks kommen auch unerfahrene Computer-Nutzer ins Darknet.

Drogen und Waffen im Darknet

Der Schlüssel dazu heisst Tor-Browser: Dieser wählt sich in ein abgeschlossenes «Internet-Netz» ein. Der Aufruf von normale Adressen wie «blick.ch» funktioniert – wer man aber ist, wird aber über weltweite Umwege verschleiert. Möglich ist aber auch der Aufruf von Webseiten, die nur in diesem Darknet funktioniert. Webseiten, die auf die Endung «.onion» enden.

Blick ins Darknet: Ganoven versuchen hier, anonym Waffen zu kaufen.
Foto: THOMAS LUETHI / HEG

Wer sich dort aufhält, muss nicht umbedingt illegale Absichten haben. Häufig geht es aber um illegale Waffen, verbotene Ausweise oder gar Kinderpornografie. Bezahlt wird meist mit Kryptowährungen wie «Bitcoin». Auch diese hinterlassen keine Spuren.

Auch Kuster wollte im Darknet zur Waffe kommen. Die Berner Polizei kam ihm jedoch am 18. Januar auf die Schliche und verhafteten ihn.

Nach dem Münchner Amoklauf schaute BLICK in die Untiefen des Darknet

Ein Programm wie der Tor-Browser ist rasch installiert. Damit gelangt man in die verborgenen Winkel des Netzes. Guido Rudolphi (54) ist dort ständig unterwegs. Der Internetforensiker  wird dort entsprechend rasch fündig.

Kaum hat er seinen schwarzen Laptop mit der abgeklebten Kamera angeworfen, hat er ein erstes «Schnäppchen» ins Auge gefasst. Ein Händler aus Grossbritannien bietet eine Pistole Marke Glock an. Kaliber neun Millimeter. Mit einer ähnlichen Waffe hatte David S. in München gewütet. Kostenpunkt: 600 Franken – umgerechnet. Bezahlt wird im Darknet meist mit Kryptowährungen wie «Bitcoin».

Ein paar Klicks genügen, um jegliche Vor­urteile übers Darknet zu bestätigen. Am laufenden Band tauchen illegale und zwielichtige Angebote auf: Vom gefälschten Pass oder der Kreditkarte über LSD aus Holland bis zum Prostituierten-Ring – alles da.
Selbst einen Hacker kann man mieten. Der bietet an, für 100 US-Dollar den E-Mail- oder Facebook-Account eines x-beliebigen Opfers zu knacken. Für 500 Dollar kann man eine Person «ruinieren» lassen.

Rudolphi winkt ab. «Man kann gar nicht wissen, ob diese Typen überhaupt liefern. Und zahlen muss man immer im Voraus.» Die meisten Angebote der Auftragshacker zum Beispiel seien gefälscht. Rudolphi zeigt auf eine englischsprachige Annonce. «Die stammt von meinem lieben Freund Gary. Der versteht von Hacken so viel wie eine Kuh von Foxtrott.» Gary, so Rudolphi, sei ein Ugander, der sich zwar für Aufträge bezahlen lasse, diese aber nie ausführe. «Der verdient sich dumm und dämlich, ganz ohne Risiko.» In Afrika sei er für die geprellte «Kundschaft» unerreichbar.

Alles halb so wild? Keine Waffen und Drogen auf die Schnelle also? «Natürlich kann man Waffen und Drogen kaufen, doch kommt die Ware nicht immer beim Käufer an», sagt Experte Rudolphi. Auch könnten sich die Käufer ihrer Anonymität nicht sicher sein. «Einen Tag nach dem Amoklauf von München wussten die Ermittler, bei wem der Täter seine Waffe gekauft hatte.»

Doch nicht alles, was übers Darknet geschrieben würde, seien Märchen. Er selbst hat etwa den Vertreibern von Kinderpornografie den Kampf angesagt und hilft Ermittlern bei der Verfolgung der Hintermänner. «Doch viel wichtiger als für Kriminelle ist das Darknet für Journalisten und Dissidenten in autoritären Staaten, die auf diesem Weg sicherer kommunizieren können.»

Bei der Bundespolizei Fedpol sieht man den verborgenen Teil des Internets weniger romantisch. «Kriminelle haben ihre Aktivitäten immer mehr ins Darknet verschoben, seien es Pädokriminelle, die kinderpornografisches Material austauschen oder Betrüger und Waffenhändler, die so ihre Geschäfte besprechen und abwickeln. Auch Schadsoftware wird immer mehr auf diesem Weg verbreitet», sagt eine Sprecherin. Das Ausmass der kriminellen Aktivitäten im Darknet liesse sich allerdings nicht abschätzen. Zumindest das bleibt wirklich im Dunkeln. 

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