«Der hartgepresste Schnee erschwert das Schaufeln»
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Schwägalp-Retter:«Der hartgepresste Schnee erschwert das Schaufeln»

So knapp schrammte man am Säntis an der Katastrophe vorbei
Das Lawinen-Wunder von der Schwägalp

Nur drei Verletzte, aber ein hoher Sachschaden. Die Bilanz nach dem Lawinendrama auf der Schwägalp fällt verhältnismässig glimpflich aus. Auch weil viele Faktoren den Touristikern am Fuss des Säntis in die Karten spielten.
Publiziert: 12.01.2019 um 00:17 Uhr
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Aktualisiert: 12.01.2019 um 10:12 Uhr
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Marco LatzerReporter Ostschweiz

Der Speisesaal im Hotel Säntis auf der Schwägalp AR ist an manchen Stellen bis unter die Decke mit Schnee gefüllt. Unermüdlich versuchen die Einsatzkräfte die tonnenschweren Lawinenreste mit Schaufeln nach draussen zu verfrachten. Eine Sisyphos-Arbeit, die Kraft kostet.

Alle wissen: Als am Donnerstag um 16.30 Uhr die Schneewand mit voller Wucht durch die Fenster im Erdgeschoss donnert, schrammt man hier nur hauchdünn an einer Katastrophe vorbei.

Hier kracht die Lawine in das Hotel
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Drei Verletzte auf Schwägalp:Hier kracht die Lawine in das Hotel
Suche nach Überlebenden: Mit Sondierstangen suchen Helfer auf der Schwägalp nach verschütteten Personen. Bislang wurde glücklicherweise niemand als vermisst gemeldet.
Foto: Keystone
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Am späten Nachmittag kaum Gäste im Saal

Denn: Schon zwei Stunden später wären die Tische im Restaurant mit Hotelgästen besetzt gewesen. «Wir hatten wahnsinniges Glück und den besten Schutzengel, den man sich vorstellen kann!», sagt Hotel- und Bergbahn-Geschäftsführer Bruno Vattioni (61). Während er gestern von den Schäden berichtet, stockt ihm immer wieder die Stimme, seine Augen sind feucht.

Auch er weiss zu gut: Weil die Lawine am späten Nachmittag kommt, ist der Saal quasi menschenleer. Stühle und Tische werden von den Schneemassen zwar zertrümmert, doch von den wenigen Gästen hat niemand dort Platz genommen.

«Ich wusste schnell wie schlimm das Ausmass ist»
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Lawine auf Schwägalp:«Ich wusste schnell wie schlimm das Ausmass ist»

Demolierte Autos voller Schnee

Draussen stochern die Einsatzkräfte mit Sondierstangen nach Opfern, die vielleicht doch noch unter den weissen Massen begraben sein könnten. Mann an Mann, Meter für Meter durchkämmen sie das Areal. Offiziell wird zwar niemand vermisst, doch sicher ist sicher!

Auf dem Parkplatz arbeiten sie sich an völlig demolierten Autos vorbei. Die Lawine hat das Innere der Fahrzeuge bis auf den letzten Quadratzentimeter mit Schnee gefüllt. Mögliche Insassen hätten keine Überlebenschance gehabt. Auch hier hatte man viel Glück: Alle parkierten Autos gehören Hotelgästen, die sich zur Unglückszeit grösstenteils im hinteren Teil des Gebäudes befinden.

Begehung des Unglücksorts
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Lawinenunglück auf der Schwägalp:Begehung des Unglücksorts

Schlechtes Wetter hielt Ausflügler fern

Zudem war das Wetter so schlecht, dass niemand wirklich vor die Tür wollte. «Es spielte uns in die Karten, dass es geschneit hat und die Sicht gleich null war», sagt Hotel-Chef Vattioni. Auch Tagestouristen sind deshalb für einmal ausgeblieben. An sonnigen Tagen herrscht Hochbetrieb: Im Normalfall kommen Hunderte Ausflügler, um von hier per Seilbahn auf den Säntis zu kommen.

Die Bilanz des Unglücks liest sich dann auch fast unwirklich: Über 100 Hotelgäste und das rund 20-köpfige Personal entgehen der 300 Meter breiten Schneewalze fast gänzlich unbeschadet. Lediglich drei Personen, darunter ein Chauffeur, der mit seinem Postauto gegen die Hotelmauer gedrückt wurde, verletzen sich leicht. Sie können das Spital schon gestern wieder verlassen.

Alle Gäste aus dem Hotel evakuiert

«Uns geht es gut, kein Grund zur Sorge. Alles halb so wild», flachst ein evakuierter Hotelgast bei seiner Ankunft im Tal. Die Stimmung unter den Gästen wirkt zwar gelöst. Dennoch ist nicht zu übersehen: Der Schreck und die Aufregung stecken vielen noch tief in den Knochen.

Evakuierte Hotelgäste nach Urnäsch AR gefahren
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Gäste nach Urnäsch gefahren:Evakuierte Hotelgäste nach Urnäsch AR gefahren

Bedenklich: Obwohl sich auf dem Säntis eine Messstation des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung befindet, hatte die Abbruchstelle auf 1900 Metern niemand auf der Rechnung. «Das ist mindestens ein Jahrhundertereignis, wirklich aussergewöhnlich», sagt Hanspeter Schoop (53) von der Alpinen Rettung. Man wurde schlichtweg kalt erwischt.

Heute geht das Schaufeln weiter. Rund 200 Menschen sind seit dem Donnerstagabend im Einsatz. Die Zeit drängt: Denn das Winterwetter hat sich noch lange nicht verabschiedet. Ab morgen ist neuer Schneefall angesagt – bis dahin sollen auf der Schwägalp die gröbsten Spuren der Beinahe-Katastrophe weggeräumt sein.

Die Suche nach Verletzten wurde am Freitagabend noch eingestellt, nachdem weiterhin keine Vermisstenmeldungen eingegangen sind.

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