Nach Corona-Lockerungen
Senioren werden isoliert, öffentlich erniedrigt, bespuckt

Endlich wieder frei! Die Schweiz freut sich auf die Lockerungen der Corona-Massnahmen. Nur ältere Menschen kommen nicht richtig zum Zug – und werden sogar angefeindet in der Öffentlichkeit.
Publiziert: 04.05.2020 um 14:06 Uhr
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Aktualisiert: 04.05.2020 um 16:37 Uhr
Senioren werden isoliert, öffentlich erniedrigt, bespuckt
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Nach Corona-Lockerungen:Senioren werden isoliert, öffentlich erniedrigt, bespuckt

Mit der stufenweisen Lockerung des Corona-Lockdowns wagen sich auch Senioren zum Teil wieder nach draussen. Doch offenbar sind ältere Menschen in der Öffentlichkeit noch nicht willkommen. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, werden Senioren nicht nur schräg angeschaut, sondern auch beleidigt und bespuckt.

Wie eine Rentnerin aus Luzern, die anonym bleiben will, der Zeitung erzählt, wurden zwei ältere Frauen am vergangenen Wochenende von Jugendlichen aufs Übelste attackiert: Die beiden Seniorinnen unterhielten sich auf einer Parkbank am Vierwaldstättersee – mit gebührendem Abstand, wie vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) vorgeschrieben. Dann plötzlich bauten sich drei Jungspunde vor den beiden Freundinnen auf, beschimpften sie. Schliesslich hätten die Jugendlichen die beiden Frauen sogar bespuckt.

Kritisch beäugt: Zwei ältere Männer beim Gassigehen mit Hund am Zürichsee.
Foto: Nathalie Taiana
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Drohende Vereinsamung

Auch bei der Organisation Pro Senectute häufen sich die Meldungen über Anfeindungen gegenüber älteren Menschen. Die Altersorganisation wird seit der Wiedereröffnung der Gartencenter und Baumärkte am vergangenen Montag immer wieder mit der Frage konfrontiert, weshalb nun ausgerechnet Senioren zum Einkaufen müssten. Aus Sicht von Pro Senectute steht dem unter der Berücksichtigung der Abstandsregeln und Hygienevorschriften jedoch nichts im Weg.

Der Schweizerische Seniorenrat (SSR) beobachtet die wachsenden Spannungen zwischen den Generationen mit Sorge. Über 65-Jährige würden «in der Öffentlichkeit beim Einkaufen oder Spazieren kritisch angeschaut, was viele verunsichert», heisst es in einem offenen Brief des SSR an den Bundesrat. Ältere Menschen würden sich deshalb zunehmend aus dem sozialen Leben zurückziehen und vereinsamen.

Organisationen fordern Neudefinition der Risikogruppe

Altenorganisationen fordern nun eine Neudefinition der Corona-Risikogruppe. Bea Heim, Co-Präsidentin des SSR: «Alle im Rentenalter samt und sonders als gefährdete Risikogruppe zu bezeichnen, ist weder sachgerecht noch fair.» Es sei darum nicht verwunderlich, wenn Seniorinnen und Senioren auf der Strasse beschimpft würden.

Auch Alain Huber, der Direktor von Pro Senectute, wünscht sich eine genauere Definition der Risikogruppe. Die neusten Erkenntnisse aus der Forschung würden zeigen, dass die besonders gefährdeten Menschen nicht allein aufgrund des Alters definiert werden sollten. «Starr am Alterskriterium festzuhalten, würde bedeuten, dass ein Teil der Menschen über 65 Jahre möglicherweise ungerechtfertigt aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen wäre.» (noo)

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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