Amélie S. (†14) starb 2015 bei einem Skiunfall in Adelboden – die Eltern fordern Gerechtigkeit
«Verantwortliche wollen sich herausreden!»

Am Regionalgericht Oberland in Thun BE wird diese Woche ein tödlicher Skiunfall aufgearbeitet. 2015 ertrank die 14-jährige Amélie S. im Eiswasser. Vor Gericht steht ein Verantwortlicher für die Pistensicherheit. Die Eltern wünschen sich Gerechtigkeit.
Publiziert: 05.05.2020 um 23:16 Uhr
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Aktualisiert: 06.05.2020 um 07:44 Uhr
«Verantwortliche wollen sich herausreden!»
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Skiunfall in Adelboden 2015:«Verantwortliche wollen sich herausreden!»
Céline Trachsel

Am 26. Februar 2015 wartete die Mutter von Amélie S.* (†14) in Adelboden BE auf den Skibus, der ihre Tochter heimbringen sollte. Das Mädchen war am Vormittag mit einer Skischulgruppe unterwegs. Doch im Bus sass keine Amélie. Das Mädchen war auf seiner letzten Abfahrt keine zwei Meter neben der Piste in einen Graben mit Eiswasser gestürzt – es überlebte nicht.

Gestern stand nun Peter R.* (54), Verantwortlicher für die Pistensicherheit, vor dem Regionalgericht in Thun BE. Ihm wird fahrlässige Tötung vorgeworfen, weil er die Todesfalle nicht genügend markiert und gesichert habe.

Am 26. Februar 2015 verstarb Amélie* (†14) bei einem Skiunfall in Adelboden BE. Ihre Eltern wollen nun vor dem Regionalgericht Oberland in Thun BE für Gerechtigkeit kämpfen.
Foto: Céline Trachsel
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Familie fordert Pistensicherheit

Vor Gericht fordern die Eltern des Mädchens nun Gerechtigkeit. «Wir haben unser Kind in Obhut gegeben und bezahlten der Skischule und den Bergbahnen viel Geld, damit sie einen schönen Tag im Schnee hat. Da erwartet man auch, dass die Pisten sicher sind», sagt die Mutter von Amélie vor Gericht.

Die Familie aus dem Kanton Schwyz hatte in Adelboden eine eigene Ferienwohnung. «Amélie war schon als Dreijährige in der Skischule. Unsere Kinder kennen die FIS-Regeln, sind gute Skifahrer und auch sonst verantwortungsbewusst.» Die trauernde Mutter brachte eine Kiste mit und zeigte der Richterin die Medaillen von Amélie, die sie in all den Jahren in der Skischule erhalten hatte.

Die Mutter erinnert sich an den schrecklichen Todestag: «Ich wartete auf den Bus, doch der kam sehr lange nicht. Im Skischulbüro wusste auch keiner Bescheid.» Denn: Während sich der Unfall bereits um 13.20 Uhr ereignet hatte, war eine Stunde später im Dorf immer noch keiner darüber im Bilde, was Amélie zugestossen war.

Viel zu spät über Unfall der Tochter informiert

Erst viel später wurde die Mutter über den Sturz informiert. Ein Skilehrer fuhr sie mit dem Auto ins Spital – doch die Ärzte verloren den Kampf um das Leben des Mädchens.

Am nächsten Tag besuchten die Eltern die Unfallstelle. Die Mama erzählt: «Da standen auch einige Pistenverantwortliche und wollten uns einreden, meine Tochter hätte einen Fahrfehler gemacht. Nur um die Schuld von sich zu schieben.» Das erzürnt sie bis heute.

Auch Amélies Vater sagt vor Gericht aus: «Meine Tochter ist unverschuldet gestorben – während der Skischule, auf den offiziellen Pisten. Sie stürzte kopfüber in einen Bach und ertrank. So etwas darf sich nie wiederholen. Doch alle reden sich heraus.» Ihm geht es darum, dass die Verantwortlichen in den Skigebieten wachgerüttelt werden: «Amélies Tod soll nicht vergebens gewesen sein.»

Geschwister gebrochen, Wohnung verkauft, nie mehr Ski

«Wir haben jetzt schon lebenslänglich», sagt die Mutter vor Gericht. Auch die Grosseltern sowie die beiden jüngeren Schwestern von Amélie seien traumatisiert und gebrochen. Die Wohnung in Adelboden hätten sie im selben Winter verkauft. «Es war ein schwerer Gang, mit dem Rucksack meiner ältesten Tochter abzureisen, aber ohne das Kind», so die Mama. Die Familie sei seit dem Drama auch nie mehr auf den Ski gestanden.

Vor Gericht stritten die Anwälte der Parteien um Pistenpfosten, Wimpelketten und Fangnetze. Auch darüber, ob der Todesgraben in Pistennähe zur Piste zähle – oder eben nicht. Die Staatsanwältin fordert eine Verurteilung von Peter R., sein Verteidiger einen Freispruch. Das Urteil fällt heute.

* Namen geändert

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