«Schädlicher als 15 Zigaretten»
WHO will gegen Einsamkeit vorgehen

Einsamkeit hat negative Folgen für unsere Gesundheit und die Entwicklung einer Gesellschaft. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht darin sogar ein globales Gesundheitsrisiko – deshalb will sie soziale Kontakte fördern.
Publiziert: 16.11.2023 um 21:22 Uhr
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Aktualisiert: 20.11.2023 um 13:50 Uhr

Der Schmerz, kaum Kontakt mit Familie und Freunden zu haben, ist weit verbreitet. Menschen, die wenig soziale Kontakte haben und isoliert leben, sind einem höheren Risiko ausgesetzt, an Schlaganfällen, psychischen Störungen oder Depressionen zu erkranken. Jetzt möchte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gegen dieses «globale Gesundheitsrisiko» vorgehen.

Dies kündigte die WHO am Mittwoch in Genf an. Das Risiko eines früheren Todes sei für einsame Menschen genauso hoch oder höher als das durch Tabakkonsum, Fettleibigkeit oder Luftverschmutzung. Dies sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Um zu untersuchen, wie soziale Kontakte gefördert werden können, setzt die Organisation eine Kommission ein. «Diese Kommission wird dazu beitragen, soziale Bindungen als globale Priorität zu etablieren und vielversprechende Verbesserungsvorschläge vorzustellen.»

Phänomen tritt nicht nur bei Älteren auf

Mitglied dieser Kommission wird unter anderem der Leiter des amerikanischen Gesundheitsdienstes, Vivek Murthy, wie die WHO in ihrer Mitteilung schreibt. Murthy hatte Einsamkeit in den USA bereits zur Epidemie ausgerufen. Sie schade der individuellen und der gesellschaftlichen Gesundheit, sagte Murthy. Und er geht noch weiter: «Einsamkeit ist schädlicher als das Rauchen von 15 Zigaretten», lautet sein ernüchterndes Fazit.

Einsamkeit ist ein weit verbreitetes Problem.
Foto: Shutterstock
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Dabei sei das Phänomen laut WHO nicht ausschliesslich unter älteren Menschen verbreitet, sondern betrifft Personen aller Altersgruppen und Schichten. Untersuchungen zeigen, dass etwa 5 bis 15 Prozent der Jungen an Einsamkeit leiden – bei den Älteren ist es ungefähr ein Viertel. Hierzulande wurde das Problem vor allem während der Corona-Pandemie laut. Die Menschen mussten plötzlich zu Hause bleiben, konnten nicht zur Arbeit oder in die Schule gehen und waren praktisch den ganzen Tag alleine. Das hat am Gemüt vieler Schweizerinnen und Schweizer genagt. 

Die digitale Kluft trägt zur Isolation bei

Der afrikanischen Vertreterin in der neuen Kommission, Chido Mpemba, liegt das Thema besonders am Herzen. Mpemba sagte, dass in ganz Afrika, wo der Grossteil der Bevölkerung aus jungen Menschen besteht, Herausforderungen wie Frieden, Sicherheit und die Klimakrise sowie die hohe Arbeitslosigkeit zur sozialen Isolation beitragen. Deshalb glaubt sie: «Es ist wichtig, das Bild der Einsamkeit neu zu definieren, insbesondere für gefährdete Bevölkerungsgruppen, die durch die digitale Kluft ausgeschlossen sind.

Was klar ist: Einsamkeit zu messen, ist extrem schwierig. Es gibt unterschiedliche Parameter, die berücksichtigt werden müssen, und die teilweise auch miteinander korrelieren. Zudem werden Gefühle sehr individuell wahrgenommen. 

Analyse wichtig für die soziale Entwicklung einer Gesellschaft

Deshalb will die WHO das Problem anhand konkreter Punkte angehen: Der Auftrag der eingesetzten, 11-köpfigen Kommission sei es nun, innerhalb von drei Jahren, herauszuarbeiten, wie bei Kindern aus allen Einkommensschichten mehr soziale Kontakte erreicht werden können. 

Die Kommission wird sich mit der Frage beschäftigen, wie die Kontakte das Wohlergehen unserer Gemeinschaften und Gesellschaften verbessern. Denn: Gute zwischenmenschliche Verbindungen haben auch einen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit und soziale Entwicklung einer Bevölkerung. (ene) 


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