Mit dem Störsender gegen das Gebimmel
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Mit Lärm gegen Kirchenglocken:So laut ist ihr Störsender gegen das Gebimmel!

Sandra B. (63) beschallt Luchsingen GL, wenn die Kirchenglocken läuten
Mit dem Störsender gegen das Gebimmel

Immer wenn in Luchsingen GL die Kirchenglocken läuten, rauscht und dröhnt es aus dem Fenster von Sandra B.* (63). Sie kämpft mit Lärm gegen das Kirchengeläut. Bisher ohne Erfolg.
Publiziert: 14.04.2021 um 06:51 Uhr
Beat Michel

«Ich muss Gas geben, das Elf-Uhr-Gebimmel geht gleich los!», sagt Sandra B.* (63), als Blick am Sonntag um fünf vor elf bei ihr klingelt. Sie hastet die drei Treppen hoch und schaltet die Musikbox auf dem Fenstersims ein. Ein ohrenbetäubendes Rauschen beschallt das Dorf Luchsingen GL. Es ist das Rauschen eines angeschlossenen Radios, der auf eine senderlose Frequenz eingestellt ist.

Seit Monaten protestiert die IV-Rentnerin so gegen das Kirchengeläut der reformierten Kirche Luchsingen GL. Erreicht hat sie damit bisher nichts – sie erhält bloss Hassbriefe und anonyme Pakete. Sogar eine Fensterscheibe wurde im untersten Stock eingeworfen.

Hund und Katzen sind sich Lärm gewohnt

Während des ohrenbetäubenden Lärms bleiben der irländische Collie und ihre zwei Katzen ruhig. Auch vor dem Haus scheint der Mega-Lärm niemandem aufzufallen. Eine Familie spaziert vorbei, ein Mann belädt das Auto. Sie schauen nicht einmal in die Richtung des Rauschens mit der Lautstärke eines Düsentriebwerks. Irgendwie haben sich alle an den Dezibel-Cocktail gewöhnt.

Sandra B. stellt die Musikbox auf das Fenstersims und beschallt Luchsingen GL mit einem ohrenbetäubenden Rauschen.
Foto: Beat Michel
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«Ich halte es kaum aus»

Sandra B. erklärt ihre Wut gegen das Geläut: «Ich leide jede Nacht unter den Kirchenglocken. Warum muss viertelstündlich die Zeit begongt werden? Und warum muss es um fünf Uhr morgens minutenlang bimmeln? Ich halte es kaum aus.» An ihrem früheren Wohnort Eglisau ZH sei die Kirche viel weniger laut gewesen.

2019 haben sie und ihr Mann das dreistöckige Haus gekauft. Von Anfang an habe es Probleme gegeben. «Es gab ein paar Leute im Dorf, die das Haus auch kaufen wollten. Die Einheimischen sind sauer auf uns und sprechen nicht mit uns über die Glocken», sagt Ehemann Stefan B.* (60).

Auch er mag das Geläut nicht, überlässt den Kampf aber seiner Frau. «Ich mag weder die Glocken noch den Lärm meiner Frau. Aber ich verstehe sie und unterstütze sie», sagt der IV-Rentner. «Von der Kirche wollte nie jemand über das Thema reden», sagt er wütend. «Ein klärendes Gespräch könnte viel bewirken.»

Zwischen der Kirche und Sandra B. gab es gehässige E-Mails. Daniel Sprüngli (57), Kirchenratspräsident und Sigrist der Kirche Luchsingen, sagt zu Blick: «Ich habe der Frau vor einem Jahr erklärt, wie sie für einen Antrag vor der Kirchgemeindeversammlung vorgehen muss. Bis jetzt habe ich nichts bekommen.»

Traktandum dank Blick

Sandra B. wusste nichts von einem Antrag. Nach dem Treffen mit Blick reichte sie kurzentschlossen ein Gesuch per E-Mail nach. Und siehe da: Der Kirchenrat nimmt das Anliegen zur Einschränkung des nächtlichen Geläuts auf die Traktandenliste, obwohl die Antragstellerin kein Mitglied der Kirche und es eigentlich zu spät ist.

Der Streit wird nicht so schnell zu Ende sein. «Wir bleiben hier, ich kämpfe, bis ich nachts Ruhe habe», sagt Sandra B. entschlossen. «Es ist mir egal, was die Leute im Dorf über mich denken.»

* Namen geändert


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