Hier hält ein Polizist Cleo (4) in den Armen
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Rettungs-Video veröffentlicht:Hier hält ein Polizist Cleo (4) in den Armen

Psychologin über die Horror-Erfahrung von Cleos (4) Eltern
«Sie denken immerzu daran, wie ihr Kind nach Hilfe ruft»

Die Eltern von Cleo (4) erleben den Albtraum jeder Mutter und jedes Vaters. Sie bangen wochenlang um ihre Tochter, die spurlos verschwunden ist. Eine Psychologin sagt, was die Eltern in dieser Zeit durchmachen mussten und wie sich ihr Leben für immer verändert hat.
Publiziert: 04.11.2021 um 18:04 Uhr
Jana Giger

Cleo S.* (4) verschwindet am 16. Oktober spurlos. Das Mädchen ist mit seiner Familie auf einem Campingplatz nördlich von Perth in Australien. Am frühen Morgen ist Cleo plötzlich weg. Das Schicksal des Mädchens löst im ganzen Land grosse Anteilnahme aus.

Es folgt eine Suchaktion, doch von Cleo fehlt 18 Tage lang jede Spur. Bis die Ermittler das Mädchen am Mittwoch im Haus ihres vermeintlichen Entführers (36) finden – wohlauf und physisch unversehrt.

Was die Eltern in den über zwei Wochen ertragen mussten, ist unvorstellbar. Nach dem Verschwinden ihrer Tochter sagte Ellie S.* im australischen Fernsehen: «Die letzten Tage waren schrecklich, wir haben kaum geschlafen.»

Ellie S. und ihr Lebensgefährte Jake G. wussten über zwei Wochen lang nicht, wo Cleo (4) ist. Sie verschwand während eines Campingausflugs spurlos aus dem Zelt.
Foto: keystone-sda.ch
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Ein Gefühl der Ohnmacht, Hilflosigkeit und Verzweiflung

Laut der Zürcher Psychologin Dr. Johanna Friedli, die sich auf Psychotherapie spezialisiert hat, haben Cleos Eltern eine zutiefst traumatische Erfahrung durchgemacht. «Die Person, welche sie am meisten lieben und die auf ihren Schutz angewiesen ist, ist anderen Menschen hilflos ausgeliefert», sagt sie zu Blick. «Das ist ein Gefühl der völligen Ohnmacht, Hilflosigkeit und Verzweiflung.»

Es sei anzunehmen, dass die Eltern in dieser Zeit mit den schlimmsten Möglichkeiten und Vorstellungen konfrontiert waren. «Sie denken wohl immerzu daran, was ihrem Kind gerade geschieht und wie es nach Hilfe ruft», sagt Friedli.

Diese Gefühle seien kaum auszuhalten. «Innerhalb von Sekunden entgleitet den Eltern das gewohnte Leben», so Friedli. Ihnen sei sicherlich auch bewusst gewesen, dass die Wahrscheinlichkeit eines guten Endes mit jedem Tag abnehme.

«Das Leben dieser Familie wird anders sein»

Die Psychologin weiss, dass sich viele Eltern die Schuld geben. Sie fragen sich, ob sie die Tragödie hätten verhindern können. Da würden plötzlich Fragen im Kopf herumschwirren wie: «Was, wenn wir an diesem Wochenende nicht campen gegangen wären? Oder das Zelt an einem anderen Platz aufgestellt hätten?»

Mit der Rettung am Mittwoch hat Cleos Entführung ein glückliches Ende genommen. Aber das Trauma hinterlasse Spuren. «Das Leben dieser Familie wird anders sein», sagt Friedli. Es gebe ein Leben vor der Entführung und eines danach.

«Dazwischen fehlt ein Stück gemeinsame Zeit, in der eine fremde Person gewaltsam Einfluss auf das Kind und die ganze Familie ausgeübt hat.» Wie schwer das Trauma ist, das Cleo erleben musste, sei noch nicht bekannt. Es sei möglich, dass die Eltern immer offene Fragen haben werden.

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