Polizei führt Pfarrer aus Gottesdienst ab
«Ich habe nur meine Pflicht als Christ getan»

Der evangelische Pfarrer Norbert Valley (62) gab einem abgewiesenen Asylbewerber aus Togo Unterschlupf. Die Polizei holte den Pfarrer daraufhin mitten aus einem Gottesdienst. Jetzt wurde er auch noch gebüsst.
Publiziert: 12.09.2018 um 15:08 Uhr
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Aktualisiert: 20.09.2018 um 01:28 Uhr
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Gabriela Battaglia

Pfarrer Norbert Valley (62) ist schwer enttäuscht: «Ich habe nur meine Pflicht als Christ getan und einer gefährdeten Person geholfen.» Der Gottesmann arbeitet als Teilzeit-Pfarrer in der evangelischen Kirche in Le Locle NE.

An einem Sonntag im letzten Februar nimmt Valley am Gottesdienst in seiner Kirche teil. Doch irgendwann kann er sich nicht mehr auf die Predigt konzentrieren: «Mein Kollege auf der Kanzel machte plötzlich Grimassen. Als ich mich umdrehte, sah ich zwei Polizisten am Eingang.»

Valley geht zu den Beamten. «Sie sagten, ich müsse sofort auf den Posten mitkommen.» Er fragt, wieso die Polizei ihn nicht angerufen habe, und was der Einsatz solle. «Sie sagten, man habe meine Nummer nicht gehabt. Das ist lächerlich, sogar meine Handynummer steht im Internet.»

Schlüssel zur Kirche

Valley hat keine Wahl. Er geht mit den Polizisten auf den Posten in Le Locle. Was hat der Pfarrer verbrochen? «Ich gewährte einem Mann aus Togo vorübergehend Unterschlupf», sagt Valley. «Ich lernte ihn vor ein paar Jahren in unserer Kirche kennen. Dann wurde sein Asylgesuch abgelehnt.»

Wann gilt Kirchenasyl?

Das Urteil gegen Norbert Valley wird mit Artikel 116 des Ausländergesetzes begründet. Darin heisst es: Wer einem Ausländer den rechtswidrigen Aufenthalt in der Schweiz erleichtert, wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bestraft. 

Die Flüchtlingskrise brachte das Kirchenasyl immer wieder in die Schlagzeilen. Letzter grosser Fall: Eine sechsköpfige Familie aus Tschetschenien kam im Mai 2016 einen Monat im Pfarrhaus in Kilchberg ZH unter. Dann musste sie die Schweiz trotzdem verlassen. Auch in Basel räumte die Polizei im Frühling 2016 die Matthäus-Kirche, die Aktivisten mit abgewiesenen Asylsuchenden besetzten. Für die kantonalen Kirchenbehörden war die Aktion Hausfriedensbruch. Die Asylbewerber wurden verhaftet. 

In Lausanne hielt sich die Polizei bei einer ähnlichen Aktion im März 2015 zurück. Einige Asylsuchende sind nun anerkannte Flüchtlinge.

Menschen suchten schon immer in Klöstern und Kirchen Schutz vor Verfolgung. Heute sind Kirchen aber kein rechtsfreier Raum. Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK betonte erst 2016 in einem Grundsatzpapier, dass Asylsuchende im Kirchenasyl nicht versteckt werden dürfen. 

Das Urteil gegen Norbert Valley wird mit Artikel 116 des Ausländergesetzes begründet. Darin heisst es: Wer einem Ausländer den rechtswidrigen Aufenthalt in der Schweiz erleichtert, wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bestraft. 

Die Flüchtlingskrise brachte das Kirchenasyl immer wieder in die Schlagzeilen. Letzter grosser Fall: Eine sechsköpfige Familie aus Tschetschenien kam im Mai 2016 einen Monat im Pfarrhaus in Kilchberg ZH unter. Dann musste sie die Schweiz trotzdem verlassen. Auch in Basel räumte die Polizei im Frühling 2016 die Matthäus-Kirche, die Aktivisten mit abgewiesenen Asylsuchenden besetzten. Für die kantonalen Kirchenbehörden war die Aktion Hausfriedensbruch. Die Asylbewerber wurden verhaftet. 

In Lausanne hielt sich die Polizei bei einer ähnlichen Aktion im März 2015 zurück. Einige Asylsuchende sind nun anerkannte Flüchtlinge.

Menschen suchten schon immer in Klöstern und Kirchen Schutz vor Verfolgung. Heute sind Kirchen aber kein rechtsfreier Raum. Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK betonte erst 2016 in einem Grundsatzpapier, dass Asylsuchende im Kirchenasyl nicht versteckt werden dürfen. 

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Valley begleitet den Togolesen auf seinem letzten Gang zur Einwohnerkontrolle. «Ich ging mit ihm auch zur Schlüsselabgabe seiner Wohnung. Es waren sehr schwierige Momente.»

Der evangelische Pfarrer Norbert Valley wurde von der Polizei während eines Gottesdienstes abgeführt.
Foto: PHILIPPE ROSSIER
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Er gibt dem Afrikaner den Schlüssel zur Kirche. «Ich gab ihm einen Ort, wo er schlafen konnte. Nach dem Asylentscheid ging es ihm sehr schlecht. Er wurde depressiv, musste ins Spital.»

Togolese wird verhaftet

Der illegale Togolese wird nicht ausgewiesen. Im letzten Dezember wird er verhaftet und wieder freigelassen. «Er rief mich am gleichen Tag an. Er fühlte sich schuldig, weil er der Polizei meinen Namen gesagt hatte.» Seither hat Valley nichts mehr von dem Mann gehört. 

Dafür bekommt der Pfarrer im August dicke Post vom Amt: einen Strafbefehl. Die Neuenburger Staatsanwaltschaft verurteilt ihn wegen Verstosses gegen das Ausländergesetz zu einer bedingten Geldstrafe von 1000 Franken zuzüglich Verfahrenskosten.

Valley hat sich Anwalt genommen und will weiterkämpfen

Valley hat sich einen Anwalt genommen und Rekurs eingelegt. Er meint: «Ich habe kein Verbrechen begangen. Ich treffe Menschen, keine Dossiers. Als Christ, aber vor allem als Mensch, bin ich solidarisch», sagt der Pfarrer. «Ich kann den Leuten nicht predigen: ‹Gott liebt euch› und dann einfach ‹Ciao› sagen.» 

Die junge EVP (Evangelische Volkspartei) sammelt nun mit einem Crowdfunding im Internet Geld für die Busse. Am 25. Oktober muss der Pfarrer zur Verhandlung am Gericht antraben. «Ich würde in einer ähnlichen Situation das Gleiche wieder tun», sagt Valley, der auch Präsident der Schweizerischen Evangelischen Allianz war. Er kündigt an: «Falls nötig, gehe ich bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg.» 

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