Zu viele Downloads
Neue Verwirrung um Corona-Warn-App

Wer darf denn nun die berühmte Corona-Warn-App brauchen? Mit der Aufforderung, die App zu löschen, sorgt das Bundesamt für Gesundheit für Verwirrung. Doch bevor die breite Einführung kommt, beugt sich erst einmal das Parlament über die rechtliche Grundlage.
Publiziert: 02.06.2020 um 16:39 Uhr
|
Aktualisiert: 03.06.2020 um 08:22 Uhr
Gianna Blum

Die App, die Nutzer warnt, wenn sie in Kontakt mit Corona-Infizierten waren, ist eigentlich noch in der Testphase. Eigentlich. Denn in kürzester Zeit machte der Download-Link auf Twitter die Runde, obwohl dieser eigentlich nur für einen begrenzten Nutzerkreis vorgesehen war.

Das Interesse an der App ist riesig. Im App-Store von Apple war der Download zunächst auf 10'000 beschränkt. Bei Google Play für Android-Handys gibt es keine Einschränkungen. Letzter Stand dort: 34'000 Downloads.

Am Dienstag war dann auch im Apple-Store eine unlimitierte Preview-App erhältlich. Die Verwirrung war gross: Warum denn jetzt das? Gemäss Bundesamt für Gesundheit (BAG) musste man die Preview aufschalten, damit auch alle Nutzer, die für die Testphase vorgesehen waren, die App downloaden konnten. Das Kontingent hatten nämlich «unautorisierte» Normalbenutzer aufgebraucht.

Die Corona-App ist schon zu haben – auch dann, wenn man nicht zur offiziellen Testgruppe gehört.
Foto: Lorenz Keller
1/7

App bringt Usern noch nicht viel

Allerdings sorgte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Wochenende für Verwirrung. Denn es empfahl, die App wieder zu löschen. Nutzer, die sich den Link über Twitter oder andere Wege organisiert haben, sollen die Anwendung entfernen. Wieso? Weil ihnen die App gar nichts bringt, wenn sie mit Infizierten in Kontakt waren, wie es beim BAG heisst. «Wer nicht zur offiziellen Pilotgruppe gehört, erhält keine Warnung», stellt Gregor Lüthy vom Bundesamt klar. Zudem: Um eine Corona-Infektion überhaupt erst in der App zu melden, braucht es einen Code vom Arzt. Damit sollen mutwillige Falschmeldungen verhindert werden. Aber auch diesen Code gibt es zurzeit nur für die «offiziellen» Nutzer.

Die Empfehlung, die App wieder zu entfernen, «basiert auf den Rahmenbedingungen in der Pilotverordnung des Bundes», so Lüthy. Wer nicht offiziell eingeladen ist, solle sich bitte nicht bedienen. Zudem weist Lüthy darauf hin, dass die Pilotgruppe extra so ausgewählt worden sei, dass viel Kontakt untereinander besteht. Angesichts der tiefen Fallzahlen sei es also unwahrscheinlich, dass man mit Infizierten Kontakt habe und nicht ohnehin schon zur Testgruppe gehöre.

Die App darf keine Pflicht werden

Der breiten Schweizer Bevölkerung wird also nichts anderes übrig bleiben, als auf die offizielle Einführung der App zu warten. Vorher beugt sich ohnehin das Parlament noch über die Gesetzesgrundlage. Die App muss freiwillig sein, die Speicherung dezentral, und es darf niemand diskriminiert werden, der auf die Nutzung verzichtet.

Der Ständerat, der sich am Mittwoch zuerst mit der App befasst, könnte das Diskriminierungsverbot verschärfen: So wird er über eine mögliche Busse diskutieren, falls etwa ein Betrieb jemandem Dienstleistungen verweigert, der die App nicht installiert hat.

Gibt es Erwerbsersatz?

Ein Knackpunkt ist aber noch offen: die freiwillige Quarantäne. Wer sich auf das blosse Risiko einer Ansteckung nach einer Warnung durch die App hin selbst isoliert, hat unter Umständen finanzielle Einbussen. So ist unklar, ob der Lohn weiter bezahlt werden muss. Aktuell gibt es nur Erwerbsersatz, wenn etwa der Kantonsarzt die Quarantäne vorschreibt. Und das macht die App weniger attraktiv.

«Es darf nicht sein, dass wer die App nutzt und deren Empfehlungen befolgt, einen Lohnausfall hinnehmen muss», sagt SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen (41). Die Bernerin hat in der vorberatenden Kommission gefordert, dass die Frage der Lohnfortzahlung geregelt werde. «Es wäre sinnvoll, den App-Nutzern auch in finanzieller Hinsicht Klarheit zu bieten, damit sie sich solidarisch verhalten können», so Wasserfallen. Ansonsten könne die App «nicht die volle Wirkung» erzielen.

Ärzte könnten Quarantäne anordnen

Wasserfallen ist mit der Forderung nicht allein. Auch eine Gruppe um den Epidemiologen Marcel Salathé (44), der die App entwickelt hat, hat im Vorfeld für einen Erwerbsersatz geweibelt. Ganz wirkungslos ist das nicht geblieben: Beide Ratskommissionen fordern den Bundesrat per Brief auf, eine Lösung für die Quarantänefrage zu finden. Die Landesregierung müsste nun die Erwerbsersatzordnung entsprechend revidieren. Ob sie das tut, ist die andere Frage. Möglich ist auch, dass die Kantone die Quarantäne via Ärzteschaft von Fall zu Fall doch vorschreiben – dann wäre der Lohn gesichert.

So funktioniert die Corona-App

DP3T ist eine von der EPFL und der ETH Zürich initiierte App, die helfen soll, die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen. So funktioniert die App: Erkrankt eine Person an Covid-19, erhält sie von ihrem Arzt einen Code, den sie eintippt. In der Folge werden alle Anwender der App gewarnt, die sich in den letzten zwei Wochen in der Nähe der infizierten Person aufgehalten haben – und aufgefordert, sich in Quarantäne zu begeben oder einen Arzt aufzusuchen. Im Zentrum des Projekts steht der Datenschutz: Die individuellen Bewegungsdaten werden lokal auf dem Smartphone gespeichert – und sollen so vor Missbrauch geschützt sein.

DP3T ist eine von der EPFL und der ETH Zürich initiierte App, die helfen soll, die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen. So funktioniert die App: Erkrankt eine Person an Covid-19, erhält sie von ihrem Arzt einen Code, den sie eintippt. In der Folge werden alle Anwender der App gewarnt, die sich in den letzten zwei Wochen in der Nähe der infizierten Person aufgehalten haben – und aufgefordert, sich in Quarantäne zu begeben oder einen Arzt aufzusuchen. Im Zentrum des Projekts steht der Datenschutz: Die individuellen Bewegungsdaten werden lokal auf dem Smartphone gespeichert – und sollen so vor Missbrauch geschützt sein.

Mehr
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?