«Schweizer Gefängnisse sind Luxusressorts für Verbrecher»
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Rentner Peter Giger (64):«Schweizer Gefängnisse sind Luxusresorts für Verbrecher»

Peter Giger (64) bezahlte Bussen nicht
«Ich sollte zur gleichen Zeit in zwei Gefängnissen hocken»

Peter Giger (64) ist Rentner und Polizistenschreck. Weil er Bussen nicht bezahlt hat, muss er bald ins Gefängnis – und sollte sogar gleichzeitig an zwei Orten hinter Gitter sein.
Publiziert: 15.08.2023 um 00:05 Uhr
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Aktualisiert: 15.08.2023 um 11:21 Uhr

Den 11. September muss Peter Giger (64) im Kantonsgefängnis Bennau SZ verbringen. So steht es in einem Vollzugsbefehl des Amts für Justizvollzug des Kantons Schwyz. Giger weigerte sich letztes Jahr, eine Parkbusse zu bezahlen. Deshalb wurde eine Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet, die nun vollzogen werden soll.

Das geht aber nicht. Denn Giger muss ab dem 30. August schon 20 Tage in der Strafanstalt Saxerriet im Kanton St. Gallen verbringen. Am 11. September wird Giger daher nicht abkömmlich sein.

«Ich sollte zur gleichen Zeit in zwei verschiedenen Gefängnissen hocken!», sagt er. Trotz moderner Kommunikationsmittel sei die Schweizer Justiz offenbar nicht stark vernetzt, stellt er fest.

Peter Giger (64) will grundsätzlich keine Bussen mehr zahlen.
Foto: Siggi Bucher
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Der Frührentner war als Landwirt tätig und leitete während zehn Jahren eine Bankfiliale am Walensee. Ein Forstunfall hatte ihn vor 40 Jahren zum Teil-Paraplegiker gemacht. Zum Treppensteigen oder im unebenen Gelände ist er auf Krücken angewiesen. Giger lebt heute in Mühlehorn im Kanton Glarus. Er hält fünf Hühner, zwei Güggel und pflegt einen grossen Gemüsegarten.

Kraftausdrücke am Telefon

Seine Strafe im Kanton St. Gallen erhielt er wegen Beschimpfung eines Sachbearbeiters des Strassenverkehrsamts. Am Telefon beleidigte er den Mann mit verschiedenen Kraftausdrücken und legte ihm nahe, den Job zu wechseln. Deshalb wurde Giger zu einer Geldstrafe von 600 Franken verurteilt (20 Tagessätze à 30 Franken).

Hintergrund dieser Auseinandersetzung war ein Zwischenfall an einer Ampel in Chur GR vom 28. Juli 2022. Bei Rotlicht telefonierte Giger am Steuer mit seinem Handy. «Ich wusste nicht, dass das verboten ist», sagt er. Ein Polizist in Zivil sah dies und informierte seine Kollegen. Diese hielten Giger an.

«Ordentliche Kontrolle!», sagte der Polizist. «Jetzt hast du gelogen!», entgegnete Giger, der bemerkt hatte, dass er spezifisch gestoppt wurde. Dann habe er den Polizisten «etwas in die Mangel genommen» und sei dabei giftig geworden. Das Gespräch endete für Giger mit einem vorsorglichen Entzug des Führerausweises.

Aufgeregt hatte sich Giger, weil er das Verpfeifen des Polizisten in Zivil als «hinterhältige Aktion» empfand. Weil er damals noch im Kanton St. Gallen wohnte, war es das St. Galler Strassenverkehrsamt, das ihm den Ausweis entzog.

«Man kann wegen eines Handyvergehens doch keinen Ausweis entziehen», sagt Giger, der in dieser Frage vor Gericht dann recht bekam. Im Nachgang «gratulierte» er dem Sachbearbeiter für das «Totalversagen» vor Gericht – und brockte sich einen Strafbefehl wegen Beschimpfung ein.

«Ich zahle prinzipiell nicht mehr»

Die Parkbusse aus dem Kanton Schwyz erhielt Giger im September 2022. Er hatte sein Fahrzeug vor einem geschlossenen Restaurant in Wangen SZ abgestellt – auf einem für Gäste reservierten Parkplatz. «Ich habe im Dunkeln die Tafel nicht gesehen», sagt Giger. Darauf sei er vom Restaurantbesitzer verpfiffen worden.

Die Parkbusse betrug ursprünglich 50 Franken. Mit Gebühren und Betreibungskosten summiert sich das Total inzwischen aber auf 343 Franken.

Giger könnte es sich leisten, seine Bussen zu begleichen. Er will aber nicht. «Ich zahle prinzipiell nicht mehr», sagt er. Polizisten bezeichnet er als «legale Wegelagerer». Als Rentner sei er frei, da er von einem Arbeitgeber nichts mehr zu befürchten habe.

«Gute Zeit» in der Haft

Der Aufenthalt in der Strafanstalt Saxerriet wird nicht der erste Freiheitsentzug für Giger sein: 2017 war er für drei Wochen in Haft in Uznach SG. Damals hatte ihm eine Frau 300 Franken geklaut. Weil es der Polizei aber nicht gelang, das Geld zurückzubringen, verlor er die Fassung und beschimpfte den zuständigen Beamten als faul und unfähig. «Wahrscheinlich habe ich dann etwas überdreht», räumt Giger ein.

Diese Haft sei aber eine «gute Zeit» gewesen, mit hochwertigen Mahlzeiten. Er habe meditiert und endlich die Bibel gelesen.

Dass er mit seinem Aufenthalt im Gefängnis erhebliche Kosten für den Staat auslöst, ist Giger bekannt. Er fühlt sich dafür aber nicht verantwortlich: «Der Staat muss klüger werden.» Wegen Kleinigkeiten sollte niemand ins Gefängnis kommen. Die Justiz müsse ein Kosten-Nutzen-Management machen.

Interkantonales Problem gelöst

Inzwischen wurde übrigens eine Lösung gefunden für die «doppelte Buchung» vom 11. September: Giger hat das Problem gemeldet und kann nun die Ersatzfreiheitsstrafe des Kantons Schwyz im Kanton St. Gallen verbüssen. Er wird also nicht nur 20, sondern 21 Tage im Saxerriet verbringen.

Doch das wird wohl nicht sein letzter Aufenthalt hinter Gittern sein: Bereits im November könnte er die Justizvollzugsanstalt Cazis Tignez im Kanton Graubünden kennenlernen – weil die 100 Franken für das Telefonieren am Steuer immer noch offen sind.

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