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Politologe Michael Hermann gibt Co-Präsidium wenig Chancen

Für den Politologen Michael Hermann ist SP-Parteipräsident Levrat einer der einflussreichsten Schweizer Politiker gewesen. Doch es habe ihm an menschlicher Wärme gefehlt. Das sei die Herausforderung für seine Nachfolge. Einem Co-Präsidium gibt er wenig Chancen.
Publiziert: 12.11.2019 um 12:03 Uhr
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Aktualisiert: 12.11.2019 um 12:53 Uhr

Der Rücktritt von Christian Levrat sei für die SP «ein sehr grosser Einschnitt», sagte Hermann im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Dienstag. Der soeben wiedergewählte Freiburger Ständerat habe die Partei sehr lange und sehr stark geprägt. Wer auch immer auf ihn folge: Es werde eine neue Ära für die SP anbrechen.

Levrat sei zu Recht als einer der einflussreichsten Schweizer Politiker gehandelt worden. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Parlament habe er sehr viele Projekte durchbringen können.

Doch Levrat sei vor allem ein Stratege, ein Schachspieler gewesen. In seiner Kommunikation habe es ihm vielleicht manchmal an menschlicher Wärme gefehlt, um auch politisch weniger interessierte Menschen abzuholen. Diese Dimension zu stärken, sei nun die grosse Herausforderung für dessen Nachfolgerin oder dessen Nachfolger.

Eine grosse Partei braucht eine Person, "die vorne hinstehen kann", sagt Politologe Michael Hermann. (Archivbild)
Foto: Patrick Huerlimann

Der Druck auf die Partei, eine Frau an die Spitze zu wählen, sei sehr gross, sagte Hermann. Für ihn steche zur Zeit die Berner Nationalrätin Flavia Wasserfallen heraus. Sie habe bereits das SP-Generalsekretariat geleitet und böte eine Zukunftsperspektive für die Partei.

Einem Zweierpräsidium gibt Hermann hingegen wenig Chancen. Zwar hätte diese Lösung den Vorteil, dass eventuell eine Frau und ein Mann an die Spitze gewählt würden oder dass die Partei ihre verschiedenen Flügel integrieren könnte. Doch «eine grosse, starke Partei braucht eine Person, die vorne hinstehen kann". Deshalb werde sich wohl am Schluss eine starke, dominante Stimme durchsetzen.

Für den Genfer Politologen Nenad Stojanovic wäre ein Co-Präsidium dagegen durchaus denkbar. Die Frage der Herkunft der Kandidaten hingegen sei auch nach Jahren der doppelten Westschweizer Vertretung an der Spitze der Partei und der Fraktion nicht unbedingt massgeblich.

Nach zwölf Jahren Levrat wäre es für ihn hingegen schade, wenn keine Frau an die Spitze der Partei gewählt würde. Als möglich Kandidatinnen nennt er die Waadtländerin Ada Marra, die Tessinerin Marina Carobbio, die Zürcherin Mattea Meyer oder die St. Gallerin Barbara Gysi.

Wichtig sei, dass die Partei unbedingt ihrer linken Linie treu bleibe, aber weiterhin auch den gewerkschaftlichen Flügel und den reformorientierten Flügel vereinen. Die SP brauche ein «kämpferisches Profil, das die Fragen der sozialen Gerechtigkeit, der Krankenkassenprämien, der Altersversorgung, einer gerechten Verteilung der Steuerlast und die Gleichstellung in den Vordergrund rücken.

Die Partei werde jedoch nicht darum herumkommen, ihre Umweltpolitik und ihr politisches Marketing zu hinterfragen. Nach dem Wahlerfolg der Grünen wäre für Stojanovic eine Möglichkeit, dass die zwei Parteien ihre Aufgaben aufteilten: Die Umwelt bei den Grünen, die soziale Gerechtigkeit bei der SP.

(SDA)

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