Paradigmenwechsel im Sexualstrafrecht
Nationalräte wollen «Nur Ja heisst Ja»-Regelung

«Nur ein Ja ist ein Ja»: Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats (RK-N) hat sich dafür ausgesprochen, im Sexualstrafrecht die Zustimmungslösung zu verankern. Der Ständerat hatte im Sommer für die «Nein heisst Nein»-Lösung gestimmt.
Publiziert: 21.10.2022 um 17:30 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2022 um 19:47 Uhr

Nein sagen reicht nicht. Die Rechtskommission des Nationalrats ist dafür, dass neu im Sexualstrafrecht das «Ja heisst Ja»-Prinzip verankert wird. Das heisst: Sexuelle Handlungen sollen künftig gegenseitiges Einverständnis erfordern – sonst handelt es sich um einen sexuellen Übergriff oder eine Vergewaltigung. Die Kommission sprach sich mit erstaunlich deutlichen 15 zu 10 Stimmen für diese Variante aus.

Der Ständerat hingegen hat sich vor wenigen Monaten für das andere Modell ausgesprochen, das zur Diskussion steht: Die «Nein heisst Nein»-Lösung. Diese sieht vor, dass jemand explizit Nein sagen muss, wenn er keinen Sex will.

Fokus auf Täter statt Opfer

Der Mehrheit der Rechtsspezialistinnen und -spezialisten des Nationalrats geht das zu wenig weit. Sie wollen im Gesetz verankern, dass sexuelle Handlungen grundsätzlich immer auf der Einwilligung der beteiligten Personen beruhen. Und nicht einfach auf fehlendem Widerspruch. Man erhoffe sich, dass sich der Fokus bei der Aufklärung von Sexualstraftaten damit mehr auf das Verhalten des Täters richte und nicht das Verhalten des Opfers im Zentrum stünde, so die Kommission.

Das Zustimmungsprinzip sieht vor, dass es bei Sex das gegenseitige Einverständnis braucht.
Foto: Getty Images/PhotoAlto
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Die Linken jubeln. «Unser Appell ist gehört worden», freut sich SP-Nationalrätin Tamara Funiciello (32). «Es war harte Arbeit und die hat sich gelohnt.» Schon seit Jahren weibeln linke Kreise für die Zustimmungslösung.

«Dann muss sich der Ständerat bewegen!»

Die Gegner dieser Variante befürchten, dass das zu einer Beweislastumkehr führen würde, also der Täter künftig seine Unschuld beweisen müsste. Zudem warnen sie vor einem «Symbolstrafrecht». Argumente, die laut Funiciello weder Hand noch Fuss hätten, wie mehrere Expertinnen in Anhörungen bestätigt hätten. Heute gilt nur als Vergewaltigung, wenn jemand mit physischer oder psychischer Gewalt zum Sex genötigt wird. Nein sagen reicht nicht.

Anderer Meinung als der Ständerat ist die Rechtskommission des Nationalrats auch, was die Strafen für Vergewaltiger anbelangt. Das Stöckli hatte beschlossen, dass künftig eine Mindeststrafe von zwei Jahren gelten soll, was dazu geführt hätte, dass es auch keine bedingte Gefängnisstrafe mehr gegeben hätte. Wie ursprünglich vorgesehen, soll die Mindeststrafe ein Jahr betragen.

Als Nächstes wird nun der Nationalrat zum Zug kommen. Funiciello ist guten Mutes, eine Mehrheit vom «Nur Ja heisst Ja»-Prinzip zu überzeugen. Im Hinblick auf die Debatte werde man bei der Kampagne sicher noch einmal einen Zacken zulegen, kündigt sie an. «Und dann muss sich der Ständerat bewegen!» (lha)

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