Nach Nervengas-Angriff auf Ex-Spion
Theresa May weist 23 russische Diplomaten aus

Grossbritannien weist wegen des Giftanschlags auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal 23 russische Diplomaten aus und legt die bilateralen Kontakte zu Russland auf Eis. Das kündigte Premierministerin Theresa May am Mittwoch im Parlament in London an.
Publiziert: 14.03.2018 um 13:51 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 15:35 Uhr

Die bilateralen Kontakte zwischen beiden Ländern sollen auf Eis gelegt werden. Zur bevorstehenden Fussball-Weltmeisterschaft in Russland sollen weder Regierungsmitglieder noch Vertreter des Königshauses anreisen. Eine Einladung des russischen Aussenministers Sergej Lawrow nach London wurde zurückgezogen

May liess keinen Zweifel daran, dass sie offizielle Vertreter Russlands als Drahtzieher des Giftanschlags auf den Ex-Spion Sergej Skripal und dessen Tochter betrachtet: «Der russische Staat ist des versuchten Mordes schuldig», sagte sie vor dem Unterhaus in London.

Sie kündigte ausserdem an, alle staatlichen russischen Vermögen im Land einzufrieren, wenn es Beweise dafür gebe, dass diese dazu eingesetzt würden, um Leben und Eigentum von Bürgern in Grossbritannien zu bedrohen.

Nur eine Woche Zeit


Die Premierministerin gab den 23 russischen Diplomaten eine Woche Zeit, das Land zu verlassen. Es handle sich um die «grösste Ausweisung seit mehr als 30 Jahren», sagte sie.

Die Ausgewiesenen seien als «russische Geheimdienstmitarbeiter identifiziert» worden. Es würden «alle hochrangigen diplomatischen Kontakte ausgesetzt», fügte May hinzu. Insgesamt waren zuletzt 59 Russen als Diplomaten in Grossbritannien akkreditiert.

May übte in ihrer Rede vor dem Parlament scharfe Kritik an Russlands Staatschef Wladimir Putin. «Viele von uns haben mit Hoffnung auf das post-sowjetische Russland geblickt», sagte sie. «Wir hatten uns bessere Beziehungen gewünscht, und es ist tragisch, dass Präsident Putin nun diesen Weg gewählt hat.»

Ultimatum verstrichen


Zuvor hatte Russland ein britisches Ultimatum zur Aufklärung des Attentats verstreichen lassen; Moskau erklärt sich zu unrecht beschuldigt.

May hatte gefordert, dass sich Moskau bis 1 Uhr MEZ in der Nacht zum Mittwoch zur Herkunft des bei dem Attentat verwendeten Nervengifts Nowitschok äussern müsse. Die Substanz war einst in der Sowjetunion entwickelt worden und gehört zu den gefährlichsten Nervengiften.

Russland lasse nicht in der Sprache von Ultimaten mit sich reden, hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwochvormittag in Moskau gesagt. Man habe London über diplomatische Kanäle mitgeteilt, dass Russland an dem Anschlag unschuldig sei.

Der 66-jährige Skripal und seine 33-jährige Tochter Yulia waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank in der südenglischen Kleinstadt Salisbury entdeckt worden. Sie befinden sich immer noch in einem kritischen Zustand. Skripal hatte als Offizier des russischen Militärgeheimdienstes GRU für die Briten spioniert. Er wurde in Russland verurteilt und 2010 bei einem grossen Agenten-Austausch nach Grossbritannien entlassen.

Attentat auf Litwinenko


Das Attentat erinnert an den Fall des Ex-Agenten und Kremlkritikers Alexander Litwinenko, der 2006 in London mit radioaktivem Polonium vergiftet wurde. Die Spuren der Täter führten auch nach Moskau.

Der Uno-Sicherheitsrat wollte sich nach britischen Angaben im Laufe des Mittwoch mit dem Fall befassen. Dabei solle das Gremium über den Ermittlungsstand informiert werden, teilte das Aussenministerium in London mit.

Die öffentliche Sitzung finde um 20.00 Uhr MEZ statt, teilten die Niederlande als derzeitiger Ratsvorsitzender am Mittwoch in New York mit. Die britische Regierung hatte die Sitzung beantragt.

Die Mitgliedstaaten der Nato forderten am Mittwoch Russland auf, alle Fragen Grossbritanniens zum Giftanschlag zu beantworten. In einer durch das Bündnis veröffentlichten Erklärung aller 29 Nato-Mitglieder hiess es, der «Angriff» sei «ein klarer Bruch internationaler Regeln und Vereinbarungen».


Die Verbündeten erklärten Grossbritannien ihre Solidarität und boten ihre Unterstützung bei der Durchführung der laufenden Untersuchung in dem Fall an. (SDA)

Was ist Nowitschok?

Vieles deutet darauf hin, dass der russische Ex-Spion Sergej und seine Tochter Julia Skripal in England durch das Nervengift Nowitschok vergiftet wurden.

Tödlicher «Neuling»

Die Sowjetunion hat zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren eine Serie neuartiger Nervenkampfstoffe entwickelt, die zu den tödlichsten gehören, die je hergestellt worden sind. «Nowitschok» heisst auf Deutsch «Neuling». Es ist achtmal so stark wie der VX-Kampfstoff, mit dem Nordkorea in der Regel seine Feinde ermorden lässt.

Einfache Herstellung

Es braucht dazu nur zwei relativ harmlose Stoffe, die bei der Zusammenführung äusserst tödlich werden. Die Stoffe können ohne grosse Probleme transportiert und vor Detektoren versteckt werden. Als er 1992 das Geheimprogramm auffliegen liess, sagte der russische Chemiker Vil Mirzayanow: «Die Besonderheit dieser Waffe liegt in der Einfachheit ihrer Komponenten. Sie werden in der Zivilindustrie verwendet und können daher international nicht reguliert werden.»

Anwendung als Puder

Das Mittel wird vorwiegend als ultrafeiner Puder zerstäubt. Die Betroffenen sterben meistens an Herzversagen oder Ersticken, da sich die Lunge mit Flüssigkeit füllt. Überlebt das Opfer, bleibt es meistens gelähmt.

Gegenmittel

Dem Opfer muss umgehend die kontaminierte Kleidung ausgezogen, und der Körper muss gewaschen werden. Es gibt Gegenmittel, unter anderem Atropin, Pralidoxim und Diazepam. Deren rettende Wirkung ist aber nicht garantiert.

Vieles deutet darauf hin, dass der russische Ex-Spion Sergej und seine Tochter Julia Skripal in England durch das Nervengift Nowitschok vergiftet wurden.

Tödlicher «Neuling»

Die Sowjetunion hat zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren eine Serie neuartiger Nervenkampfstoffe entwickelt, die zu den tödlichsten gehören, die je hergestellt worden sind. «Nowitschok» heisst auf Deutsch «Neuling». Es ist achtmal so stark wie der VX-Kampfstoff, mit dem Nordkorea in der Regel seine Feinde ermorden lässt.

Einfache Herstellung

Es braucht dazu nur zwei relativ harmlose Stoffe, die bei der Zusammenführung äusserst tödlich werden. Die Stoffe können ohne grosse Probleme transportiert und vor Detektoren versteckt werden. Als er 1992 das Geheimprogramm auffliegen liess, sagte der russische Chemiker Vil Mirzayanow: «Die Besonderheit dieser Waffe liegt in der Einfachheit ihrer Komponenten. Sie werden in der Zivilindustrie verwendet und können daher international nicht reguliert werden.»

Anwendung als Puder

Das Mittel wird vorwiegend als ultrafeiner Puder zerstäubt. Die Betroffenen sterben meistens an Herzversagen oder Ersticken, da sich die Lunge mit Flüssigkeit füllt. Überlebt das Opfer, bleibt es meistens gelähmt.

Gegenmittel

Dem Opfer muss umgehend die kontaminierte Kleidung ausgezogen, und der Körper muss gewaschen werden. Es gibt Gegenmittel, unter anderem Atropin, Pralidoxim und Diazepam. Deren rettende Wirkung ist aber nicht garantiert.

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