«Ich könnte heulen!»
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Ladenbesitzer und Beizer zu den Zwangsschliessungen
«Ich könnte heulen!»

Ab dem 18. Januar gelten in der Schweiz verschärfte Corona-Massnahmen. BLICK hat sich bei Gewerblern umgehört, wie sie mit den erneuten Einschränkungen umgehen.
Publiziert: 14.01.2021 um 07:12 Uhr
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Aktualisiert: 14.01.2021 um 12:16 Uhr
Myrte Müller, Marco Latzer, Patrik Berger

Ladenschliessungen, Kontaktbeschränkungen und Homeoffice-Pflicht: Ab dem 18. Januar gelten in der Schweiz Massnahmen, die an den Lockdown im März erinnern. Die Virus-Mutationen aus Grossbritannien und Südafrika dürften beim Bundesrat den Ausschlag für die Entscheidung gegeben haben. Man möchte einen sprunghaften Anstieg verhindern, denn die mutierten Viren sind viel ansteckender. Die Leidtragenden sind die Gewerbler. BLICK hat sich bei Betroffenen umgehört.

Seit 30 Jahren führt Jréne Wick (59) die Boutique Verina in Wil SG. Nach dem Entscheid des Bundesrats blutet ihr das Herz: «Das ist unverständlich, schliesslich ist das Ansteckungsrisiko in jeder Migros und jedem Coop grösser als in meinem Laden.» Besonders ärgerlich für die Geschäftsbesitzerin: Die Übergangsmode für den Frühling ist längst bestellt, die Lieferungen trudeln laufend ein. Trotzdem gibt Wick nicht auf: «Ich habe einen fantastischen Vermieter, der mir beim ersten Lockdown die Miete erlassen hat.»

Kurt Wattinger (63), Inhaber eines Schuhgeschäfts in Weinfelden TG, nimmt die neuerliche Zwangsschliessung achselzuckend zur Kenntnis. «Aufregen nützt nichts», so der Chef von zwei Angestellten. «Mich stört einfach, dass Grossverteiler ungestört weiter geschäften können, während wir hier auf Bestellungen und Rechnungen sitzen bleiben.» Innerlich habe er sich seit dem Auftreten der Corona-Mutation auf den Entscheid vorbereitet und fügt an: «Für mich ist es besser, den Lockdown jetzt durchzuziehen als im März, wenn das Frühlingsgeschäft losgeht.» Ausserdem zähle er auf die Solidarität seiner Kundschaft – wie schon im letzten Lockdown.

Enttäuscht sei er. «Ja, nicht überrascht, aber zutiefst enttäuscht», sagt Marco Garbani-Nerini (72) aus Locarno TI.
Foto: BLICK
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Traurig schaut Laura Sopransi (36) auf ihre Auslagen. «Ich habe gerade die neue Kollektion bezahlt. Jetzt werde ich sie wohl nicht mehr verkaufen», sagt die Besitzerin der Boutique Laura in Tenero TI. Erst vor anderthalb Jahren hat sie den Laden für Übergrössen geöffnet. Dann kam Corona. «Schon im März war es schwer, den Lockdown durchzuhalten. Jetzt kommt der zweite. Ich könnte nur heulen.» Das Geld müsse doch irgendwoher kommen, sagt Laura, «ich bin alleinerziehende Mutter einer vierjährigen Tochter».

Enttäuscht sei er. «Ja, nicht überrascht, aber zutiefst enttäuscht», sagt Marco Garbani-Nerini (72) aus Locarno TI. «Das Geschäft lief gerade so gut, und die Corona-Fallzahlen waren seit einer Woche im Tessin auf die Hälfte gesunken.» Sie hätten sogar ihr Personal um zwei Kräfte aufgestockt. Jetzt muss der Fotograf seine drei Fotogeschäfte in Locarno, Lugano und Riazzino wieder dichtmachen. «Wir haben nicht nur Einbussen im Verkauf, wir haben auch alle Events verloren wie Hochzeiten, Firmenjubiläen oder Sportveranstaltungen.»

Beim Thema Lockdown gerät Barbara Maggetti (45) so richtig in Fahrt. «Jetzt müssen wir zum zweiten Mal dichtmachen. Wie sollen wir das denn schaffen? Mit den Hilfsmitteln des Staates jedenfalls geht das nicht. Was wir an Entschädigung für den ersten Lockdown bekamen, reichte vorne und hinten nicht», sagt die Besitzerin eines Babyladens in Tenero TI. «Ich hoffe, bei diesem Lockdown wird es mehr Hilfen geben, sonst werden viele für immer schliessen.»

Sebastian (42) und Manuela Graber (39) vom Restaurant Löwen in Messen SO sind erleichtert über die Bundeshilfen. «Ich bin froh, dass wir erhört worden sind vom Bundesrat», sagt Sebastian Graber. «Wir wären schon zufrieden, wenn wir mit dem Geld unsere Fixkosten decken könnten.» Denn Versicherungen oder Sozialleistungen werden Anfang Jahr fällig. «Zum Glück müssen wir keinen Pachtzins bezahlen», so Graber. Mit dem Beizen-Lockdown sei es auch für sie eng geworden. «Wir mussten unsere Reserven anzapfen.»

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