Kindliche Merkmale lösen Schutzinstinkt aus
Warum wir hässliche Tiere lieb haben

Teils sehen sie etwas zerknautscht aus, haben einen Überbiss oder keine Haare – nichtsdestotrotz finden viele von uns hässliche Tiere süss. Doch woher kommt das?
Publiziert: 23.06.2024 um 16:55 Uhr
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Aktualisiert: 23.06.2024 um 16:56 Uhr
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Natalie ZumkellerRedaktorin News

Beim Besuch von Bekannten kann es durchaus sein, dass man in Kontakt mit einem Haustierchen kommt, das nicht den gängigen Schönheitsstandards entspricht. Schnell hört man den Satz: «Gäll, herzig?»

Während man vergeblich nach dem herzig sucht, fragt sich so mancher: Wieso empfinden viele trotz des kuriosen Äusseren eine gewisse Liebe für «hässliche» Tiere? Wie der österreichische Zoologe Konrad Lorenz (1903-1989) in seiner Theorie «Babyschema» festhielt, spielt die Evolution dabei eine grosse Rolle.

«Kindliche Merkmale» lösen Bereitschaft zur Fürsorge aus

Menschen würden sich laut Lorenz von «kindlichen Merkmalen» angezogen fühlen. Grosse Augen, grosse Köpfe und weiche Körper lösen bei Erwachsenen einen gewissen Schutzinstinkt aus. So soll sichergestellt werden, dass unsere Art überlebt. Marta Borgi, Forscherin am Istituto Superiore di Sanità in Rom und ihr Team zeigten in einer Studie auf, dass das nicht nur Erwachsene betrifft, sondern auch Kinder. Bereits bei Dreijährigen lösen kindliche Merkmale eine stärkere Jö-Reaktion aus als unkindliche Eigenschaften, wie sie gegenüber der BBC erklärt.

Wohl einer der berühmtesten Hunde: Rascal Deux, der hässlichste Hund der Welt 2015.
Foto: IMAGO
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Die Merkmale finden sich jedoch nicht nur in Babys wieder, sondern auch in einigen Tieren. Paradebeispiel sind Hunde wie Möpse, Katzen (auch Nacktkatzen!) oder der Blobfisch – Letzterer wurde 2013 gar zum «hässlichsten Tier der Welt» gekürt. Alle weisen sie dank der riesigen Augen und grossen Köpfe kindliche Merkmale auf – und lösen bei uns «Schutzverhalten, Aufmerksamkeit und die Bereitschaft zur Fürsorge» aus, so Borgi.

Hässlichster Hund der Welt

In Kalifornien wird daraus jedes Jahr sogar ein Wettbewerb gemacht: Jeden Juni können stolze Besitzer hässlicher Hunde ihre Vierbeiner einer Jury präsentieren, die dann den hässlichsten Hund der Welt bestimmt. Vergangenes Jahr gewann der chinesische Schopfhund Scooter. In der diesjährigen Ausgabe, die erst am Samstag abgehalten wurde, holte sich der Pekinese Wild Thang den Titel. Der berühmteste Gewinner ist jedoch Rascal Deux – nach seinem Triumph 2015 wurde er im Internet zu einem gefundenen Fressen für jegliche Memes.

Neben heraushängenden Zungen weisen alle kindliche Merkmale auf: grosse Augen und kleine, weiche Körper. Trotz ihrer Hässlichkeit lösen sie bei Menschen also das Bedürfnis aus, sich um sie zu sorgen.

«Aus gesundheitlicher Sicht keine Hunde mehr»

Doch nicht nur die Evolution lässt uns hässliche Tiere ins Herz schliessen. Wie Rowena Packer, Dozentin für Verhaltens- und Tierschutzwissenschaften für Haustiere am Royal Veterinary College der Universität London, erklärt, sind sie auch zum Trend geworden: «Das Hässlich-Niedlich-Sein ist sehr in Mode», so Packer. Der Ursprung des gefährlichen Trends liegt in den sozialen Medien.

Dort würden speziell Möpse und Bulldoggen von ihren Besitzern angepriesen – dabei sind die überzüchteten Rassen stark von Atembeschwerden, wiederholten Hautinfektionen und Augenkrankheiten geplagt. Tierschutzvereine zeigen sich besorgt. Laut einer Studie aus dem Jahr 2022 können Möpse «aus gesundheitlicher Sicht nicht mehr als typische Hunde angesehen werden».

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