Heinrich Thomet (53)
Berner Waffenhändler verkauft jetzt Masken und Corona-Tests

Berner, Bauer – und internationaler Waffenhändler. Selbst im Visier des US-Geheimdienstes stand der geheimnisvolle Geschäftsmann Heinrich Thomet. Jetzt vertreibt der mysteriöse Berner, dem Strafbehörden noch nie etwas anhaben konnten, auch ein Corona-Sortiment.
Publiziert: 04.10.2020 um 11:53 Uhr
Daniel Kestenholz

Fast gar nichts ist über den Schweizer Heinrich Thomet (53) bekannt. 2005 tauchte sein Name im Zusammenhang mit internationalen Waffengeschäften auf, doch in all den Jahren konnte ihm niemand etwas anhängen. Der Bauer aus Bern stieg unbemerkt zu einem mächtigen Waffenhändler auf. Noch heute kommt der geheimnisvolle Geschäftsmann mit allem durch.

Die «New York Times» erwähnte Thomet im Jahr 2008, als der Schweizer albanische Waffen nach Afghanistan zu verschieben versuchte. Unbemerkt stieg der Berner zu einem der mächtigsten Waffenhändler der Welt auf, wie nun Recherchen der «NZZ am Sonntag» aufzeigen. Und noch heute kann ihm niemand etwas beweisen.

Selbst im Hollywood-Streifen «War Dogs» von 2016 ist die Hauptrolle – gespielt von Bradley Cooper (45) – von Thomet inspiriert. Der skrupellose Waffenschieber Thomet wird als hellhäutiger, blauäugiger Schweizer Waffenhändler beschrieben, von dem es aber kein einziges verfügbares Foto geben soll. Laut «NZZ am Sonntag» existiert ein einziges Foto des Berners. Es stammt von einer Pressekonferenz im Oktober 2011 bei der Waffenfabrik Tara in Montenegro, die «TV Vijesti» übertragen hat.

Bradley Cooper spielt im Film «War Dogs» die Figur eines skrupellosen Waffenschiebers, die entfernt auf dem Leben des Berners Heinrich Thomet basiert.
Foto: AP

Bauernsohn aus Riedbach BE

Erstmals wird die Welt im Jahr 2008 auf den vermeintlichen internationalen Waffenhändler aufmerksam. Im albanischen Hinterland kam ein Geschäftsmann namens Kosta Trebicka bei einem Autounfall ums Leben. Zeugen gab es nicht. Trebicka sei unterwegs zur Jagd und nicht angegurtet gewesen, hiess es. Viele glaubten dieser offiziellen Version nicht. Albaner verlangten eine faire Untersuchung von Trebickas Tod, eine Zeitung titelte: «Es war Mord.»

Trebicka war nicht irgendein Geschäftsmann, sondern Kronzeuge eines millionenschweren Waffengeschäfts. «Dieser Deal war so spektakulär, dass ein Hollywood-Produzent aus dem Fall einen Spielfilm drehte. Mittendrin: ein Schweizer. Heinrich Thomet, Bauernsohn und Geschäftsmann aus Riedbach bei Bern», recherchierte die «NZZ am Sonntag». Er soll bei dem Deal mitgewirkt haben. Mehrere Beteiligte wurden später verurteilt. Thomet wurde nie angeklagt und stritt eine Beteiligung stets ab.

Der 53-Jährige hat bereits in jungen Jahren eine Schweizer Waffenfirma aufgebaut – und geriet ins Visier des amerikanischen Geheimdienstes und in Verdacht, einen israelischen Militäroffizier bestochen zu haben. Der Berner sei niemand geringerer als «einer der bedeutendsten Waffenhändler der letzten 40 Jahre». Das sagt Andrew Feinstein, Buchautor und Experte für globale Waffengeschäfte. Thomet, wird Feinstein zitiert, sei gerissen und verschwiegen.

Thomet agiert internationaler

Thomet lernte Landwirt, wie sein Vater. Als 20-Jähriger gründete er 1988 im elterlichen Bauernhof mit einem Jugendfreund das Unternehmen «Comando Arms». Firmenzweck: Import und Export von und Handel mit Feuerwaffen und Zubehör. Es ist der Anfang vom Aufstieg in die internationale Welt des Waffenhandels. Danach findet Thomet einen neuen Partner: Karl Brügger. Sie gründen die Waffenfabrik «Brügger & Thomet» in Spiez BE. «Anfangs produzieren sie Schalldämpfer für verschiedene Polizeieinheiten», weiss die «NZZ am Sonntag». «Später stellt das Unternehmen auch eigene Waffen her: Maschinenpistolen, Scharfschützengewehre, Tränengaswerfer.»

Die Waffenfabrik existiert heute unter dem Namen «B&T», beschäftigt rund 100 Mitarbeitende und ist einer der grössten Schweizer Exporteure von Kriegsmaterial. Thomet ist seit 2005 ausgestiegen und war offenbar schon vorher nicht mehr operativ tätig. Über seinen ehemaligen Geschäftspartner wollte sich Brügger nie äussern. Schon 2011 sagte er dem Nachrichtenportal «Infosperber»: «Wir haben nichts mehr mit ihm zu tun. Wir arbeiten diametral anders und haben Polizei und Behörden in Europa als Kunden.» Brügger wusste schon damals nicht, wo sich Thomet aufhielt. «Montenegro, hat man gehört.»

Thomets Waffengeschäfte wurden nach seinem Bruch mit Brügger internationaler. Thomet änderte den Namen seines Waffenunternehmens «Comando Arms» mehrmals um, schliesslich in «BT International», wie die Firma noch heute heisst, die im Grossraum Bern ansässig ist. Dort sei auch Thomet weiterhin anzutreffen. Seine Familie jedoch lebe im Ausland, schreibt die «NZZ am Sonntag».

Der hollywoodreife Waffendeal

Über die Jahre herrscht Thomet über ein verzweigtes Konstrukt an Unternehmen, mit denen er weltweit bei Waffendeals mitmischt – wie die 2018 vorübergehend geschlossene Waffenfabrik Tara Aerospace in Montenegro, die Thomet als Teilhaber mitbesitzen soll. Schon 2005 tauchen die Namen von Tochterfirmen von «BT International» in Albanien, Bulgarien, Israel und der Ukraine auf. In Israel gründet er eine auf Waffen und Sicherheitssysteme spezialisierte Firma.

Laut einem Bericht von Amnesty International aus dem Jahr 2006, der im Artikel zitiert wird, verschiebt er Waffen von Serbien und Montenegro in den Irak. Geschäftsführer ist der ehemalige israelische Militärattaché in der Schweiz. Gegen diesen wird in Israel später wegen Korruption ermittelt. In der Anklage vom Februar 2011 ist von einem geschenkten Land Cruiser und einer Zahlung von 30’000 Franken an die Frau des Militärattachés die Rede. Der Israeli geht einen Deal mit der Staatsanwaltschaft ein. Im Gegenzug wird der Bestechungsvorwurf fallengelassen. Thomet habe auf Anfrage gesagt: «Es gab keine Bestechung.»

Auch in der Schweiz wurde die Bundesanwaltschaft aktiv und tätigte Vorabklärungen wegen möglicher Widerhandlung Thomets gegen das Kriegsmaterialgesetz. Diese werden jedoch eingestellt. Es fehlt ein hinreichender Tatverdacht. ­Thomet bleibt unbehelligt – ein Muster, das sich durch sein ganzes Leben ziehe. Die «NZZ am Sonntag» schreibt es so: «Die Leute in seinem Umfeld geraten mit dem Gesetz in Konflikt, aber er behält eine reine Weste.» Das ist auch bei seinem aufsehenerregendsten Geschäft der Fall, dem hollywoodreifen Waffendeal, der dann auch verfilmt wurde. Ein Afghanistan-Waffengeschäft, das mehr als fünfzig Arten von Munition umfasste: Gewehr-, Pistolen- und Maschinengewehrpatronen, Handgranaten, Mörserpatronen, Panzermunition und einiges mehr.

Der «sehr höfliche Schweizer»

Thomet soll den Deal 2007 über seinen Lieferanten Meico arrangiert haben, der staatlichen Rüstungsexportagentur Albaniens. Ein Mittelsmann beschreibt ihn im Artikel als «einen sehr höflichen Schweizer, mit einem sehr professionellen Auftritt».

Thomet bestritt später, an dem Deal beteiligt gewesen zu sein und liess über sein Anwaltsbüro ausrichten, nicht in fragliche Transaktionen involviert gewesen zu sein. Doch sein Name fällt später in einer Untersuchung des amerikanischen Repräsentantenhauses und der albanischen Generalstaatsanwaltschaft. Und der besagte albanische Geschäftsmann Kosta Trebicka, Kronzeuge in dem Fall, kam unter suspekten Umständen ums Leben.

Angeklagt oder verurteilt wurde Heinrich Thomet nie, in der Schweiz gibt es keine einzige Untersuchung gegen ihn. In den letzten Monaten soll der Berner Waffenhändler sein Sortiment übrigens erweitert haben. Seit Beginn der Corona-Krise verkauft er auch Hygienemasken und Antikörpertests – und vertreibt sie über seine neu aufgestellte Schweizer Firma «BT International».

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