Foto: Picture Alliance

Heidi Brack (86) aus Herzogenbuchsee BE verlor drei Ungeborene und hatte zwei Totgeburten
«Ich frage mich noch heute, was aus ihnen geworden wäre»

Heidi Brack (86) wollte unbedingt Mutter sein. Doch sie verlor fünf Kinder schon während der Schwangerschaft. Ihren Kummer musste sie alleine überstehen – im Stillen. Heute macht sie Frauen Mut.
Publiziert: 05.04.2019 um 23:39 Uhr
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Aktualisiert: 06.04.2019 um 13:46 Uhr
Helena Schmid

Der Traum vom Muttersein – er beginnt mit zwei Strichen auf einem Plastikstäbchen. Glück, Vorfreude, Aufregung. Doch rund 20'000 Schweizerinnen in Erwartung erfahren jährlich auch plötzliche Trauer: den Verlust des Kindes noch während der Schwangerschaft. Viele schweigen, behalten Trauer und Ängste für sich. Im BLICK brechen sechs Frauen jetzt das Tabu Fehlgeburt.

Heidi Brack (86) hat jahrzehntelang geschwiegen. In ihrem Wohnzimmer in Herzogenbuchsee BE hängen Dutzende Bilderrahmen: Kinder und Jugendliche lächeln in die Kamera. Bracks Sohn, dessen Kinder und Enkel. Doch fünf Gesichter fehlen.

Zwischen 1952 und 1960 musste Brack drei Fehlgeburten durchmachen, brachte zwei Kinder tot zur Welt. «Damals konnte ich mit niemandem darüber sprechen, war ganz allein mit der Trauer», erzählt sie heute.

Heidi Brack (86) aus Herzogenbuchsee BE erlebte in jungen Jahren drei Fehl- und zwei Totgeburten und gebar einen Sohn, der mit 45 an ALS erkrankte.
Foto: Daniel Kellenberger
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Kind nach Geburt entsorgt

Während sie bei der letzten Totgeburt im Spital in den Wehen lag, half ihr Ehemann seiner Mutter in der Küche. Während das Baby nicht schrie und sich nicht regte, werkelte er am Ofen. Als sie nach Hause kam – allein –, sagten ihr die Angehörigen: «Das passiert. Vergiss es einfach.»

Doch vergessen konnte Heidi Brack nie. Sie sitzt im Sessel vor ihrer Wand voller Erinnerungen, ihre Augen füllen sich mit Tränen. Sie erzählt: «Ich habe die meisten meiner Kinder nie sehen dürfen, sie wurden gleich nach der Geburt entsorgt. Aber ich frage mich noch heute, was wohl aus ihnen geworden wäre.»

Gedanken wie diese versuchte die Seniorin aus ihrem Kopf zu verbannen. «Damals sahen viele die Trauer um ein totgeborenes Kind als etwas Abnormales», sagt sie. Organisationen und Selbsthilfegruppen gab es noch nicht. Betroffene hatten keinerlei Betreuung. «Man musste einfach klarkommen», so Brack. 

Einziger Sohn stirbt jung

Die Ärzte im Spital sagten ihr, sie solle doch froh sein. «Sie meinten, mein Baby hätte sowieso eine Behinderung gehabt. Aber wie könnte ich jemals darüber froh sein?», fragt sie empört.

Nach drei Fehlgeburten brachte sie 1955 ihren Sohn Walter auf die Welt. «Das fühlte sich an wie ein Wunder.» Er sei ein Sonnenschein gewesen, ein absolutes Wunschkind. Doch auch ihr einziger Sohn wurde Heidi Brack viel zu früh genommen. Walter litt seit dem Alter von 45 Jahren an der Nervenkrankheit ALS. Neun Jahre später starb er.

«Mein Leben ist weitergegangen»

Brack selber überlebte ihre sechs Kinder. «Diese Schicksalsschläge habe ich nie richtig verkraftet», gesteht sie. «Mein Job als Schulhausabwartin half mir aber, da hatte ich immer Kinder um mich herum. Und ich habe zwei Enkel, um die ich mich kümmern durfte», erzählt sie.

An andere Frauen appelliert die Seniorin: «Tut das, was ich nie tun konnte: Sucht das Gespräch mit Gleichgesinnten. Weiht eure Männer mit ein, geht offen damit um. Lasst euch vom Kummer nicht auffressen.»

Heidi Brack hat sich vorgenommen, das Gute zu sehen. «Mein Leben ist weitergegangen. Ich durfte viel Schönes erleben», so die Seniorin. Bald wird sie zum zweiten Mal Urgrossmutter. «Die Frau meines Enkels erwartet im Herbst ein Kind», erzählt sie stolz. Bub oder Mädchen? «Das ist egal. Hauptsache, es ist gesund.» 

Géraldine Knie (46)

Zirkuskönigin Géraldine Knie (46) sprach am Mittwoch erstmals im BLICK über ihre zwei Fehlgeburten. Dass sie und weitere prominente Frauen ihrem Schmerz und ihrer Trauer öffentlich eine Stimme geben, hilft vielen Betroffenen, das noch immer vorherrschende Tabu zu brechen. Die Artistische Direktorin litt jahrelang unter Übergewicht.

Einer der traurigen Gründe: «Mein Hormonhaushalt war drunter und drüber. Ich habe vor der Geburt von Chanel zwei Kinder verloren, eines durch eine Eileiterschwangerschaft. Dies hat alles durcheinandergebracht und auch vieles blockiert. Körperlich und emotional waren dies sehr schwere Momente, da für mich die Familie über alles geht. Ich war danach mit meiner Tochter und mit dem kleinen Maycol gesegnet und konnte es so verarbeiten.» Innerhalb der letzten fünf Monate hat Géraldine Knie 26 Kilo abgenommen. «Die Blockade, die ich lange hatte, ist nun weg. Das macht mich sehr glücklich.»

Zirkuskönigin Géraldine Knie (46) sprach am Mittwoch erstmals im BLICK über ihre zwei Fehlgeburten. Dass sie und weitere prominente Frauen ihrem Schmerz und ihrer Trauer öffentlich eine Stimme geben, hilft vielen Betroffenen, das noch immer vorherrschende Tabu zu brechen. Die Artistische Direktorin litt jahrelang unter Übergewicht.

Einer der traurigen Gründe: «Mein Hormonhaushalt war drunter und drüber. Ich habe vor der Geburt von Chanel zwei Kinder verloren, eines durch eine Eileiterschwangerschaft. Dies hat alles durcheinandergebracht und auch vieles blockiert. Körperlich und emotional waren dies sehr schwere Momente, da für mich die Familie über alles geht. Ich war danach mit meiner Tochter und mit dem kleinen Maycol gesegnet und konnte es so verarbeiten.» Innerhalb der letzten fünf Monate hat Géraldine Knie 26 Kilo abgenommen. «Die Blockade, die ich lange hatte, ist nun weg. Das macht mich sehr glücklich.»

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Sandra Boner (44)

«Meteo»-Moderatorin Sandra Boner (44) verlor vor elf Jahren ihr erstes Kind im sechsten Schwangerschaftsmonat. Sie brauchte lange, um darüber sprechen zu können. «Den Verlust des eigenen Kindes kann man eigentlich nicht verarbeiten, auch wenn man es noch nicht ‹gekannt› hat.»

Sie habe in dieser Zeit viel Unterstützung von ihrer Familie und von Freunden erhalten, aber auch viel Zuspruch aus ihrem weiteren Umfeld und von wildfremden Menschen. «Auch wenn es komisch klingt: Irgendwie tut es in einer solchen Situation gut zu hören, dass andere das Gleiche durchgemacht haben. Und dass sie wieder glücklich wurden.» Sandra Boner ist heute Mutter von Nelson (9) und Miles (8).

Das Portrait von SRF-Moderatorin Sandra Boner
Blick

«Meteo»-Moderatorin Sandra Boner (44) verlor vor elf Jahren ihr erstes Kind im sechsten Schwangerschaftsmonat. Sie brauchte lange, um darüber sprechen zu können. «Den Verlust des eigenen Kindes kann man eigentlich nicht verarbeiten, auch wenn man es noch nicht ‹gekannt› hat.»

Sie habe in dieser Zeit viel Unterstützung von ihrer Familie und von Freunden erhalten, aber auch viel Zuspruch aus ihrem weiteren Umfeld und von wildfremden Menschen. «Auch wenn es komisch klingt: Irgendwie tut es in einer solchen Situation gut zu hören, dass andere das Gleiche durchgemacht haben. Und dass sie wieder glücklich wurden.» Sandra Boner ist heute Mutter von Nelson (9) und Miles (8).

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Annina Campell (34)

SRF-Moderatorin Annina Campell (34) erlitt im März 2017 eine Fehlgeburt im sechsten Monat ihrer Schwangerschaft. «Das war der Schock meines Lebens», sagte sie danach. Sie sei wie paralysiert gewesen. «Und unglaublich traurig. Eine Trauer, die man nicht beschreiben kann.» Viele Gespräche mit ihrem Ehemann Marc (39), innerhalb der Familie und mit Freunden hätten ihr geholfen, diese schreckliche Erfahrung verarbeiten zu können. Und eine neue Sichtweise zu finden, den Schicksalsschlag erträglich zu machen. Er sei nun Teil ihrer Biografie und ihrer Geschichte geworden. «Ich bin bereit, diesen Verlust zu akzeptieren.»

Ein halbes Jahr später erlitt die Bündnerin erneut eine Fehlgeburt, dieses Mal in einem sehr frühen Stadium. Heute ist Campell Mutter von Anna Nina Catarina (4) und steht kurz vor der Geburt ihres zweiten Kindes.

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Yasmine-Mélanie Wyrsch (29)

Schlagersängerin Yasmine-Mélanie Wyrsch (29) war im Jahr 2013 im sechsten Monat schwanger, ging zum Arzt zur Routineuntersuchung. «Ich wollte fragen, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird. Doch es gab die Hiobsbotschaft.» Sie erfährt, dass ihr Baby im Bauch gestorben ist, für sie bricht eine Welt zusammen. «Es war ein Schlag wie aus dem Nichts. Plötzlich ist das Kind nicht mehr da. Wir hatten uns schon auf alles eingestellt und uns so auf das Baby gefreut.»

Sie sei in einem andauernden Schockzustand gewesen. «Es war lange nichts in mir, ausser einer grossen Leere.» Zwei Tage nach der Fehlgeburt heiratete sie ihre grosse Liebe Daniele Branca (34). Der Schicksalsschlag habe sie als Paar zusammengeschweisst. Heute sind sie Eltern von Lionel (3) und dem halbjährigen Leandro.

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