Briten geben im Schnitt 24 Prozent des Haushaltseinkommens für die Wohnung aus.
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Knall im Brexit-Streit
Johnson beantragt bei der Queen Zwangsurlaub für das Parlament

Der britische Premierminister Boris Johnson hat eine vorübergehende Schliessung des Parlaments beantragt. Das gab er am Mittwoch in London bekannt. Die Gegner eines No-Deal-Brexits hätten damit kaum noch eine Chance, einen EU-Austritt ohne Abkommen zu stoppen.
Publiziert: 28.08.2019 um 11:11 Uhr
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Aktualisiert: 29.08.2019 um 16:35 Uhr

Das Parlament soll demnach von Mitte September bis zum 14. Oktober pausieren, wenn Königin Elizabeth II. formell das Programm von Johnsons Regierung vorstellen soll. Das wäre nur zwei Wochen vor dem geplanten britischen Austritt aus der Europäischen Union Ende Oktober.

Queen soll Parlament aushebeln

Die Queen muss der sogenannten Prorogation zustimmen. Doch das gilt als Formalie. da eine Parlamentsschliessung vor der Präsentation eines neuen Regierungsprogramms üblich ist.  Allerdings dauert diese Pause in der Regel nicht wie in diesem Fall mehr als vier Wochen.

Der Schritt ist höchst umstritten und dürfte auf heftigen Widerstand treffen. In Schottland läuft bereits ein Gerichtsverfahren, mit dem die Parlamentsschliessung verhindert werden soll.

Der britische Premier Johnson will den Brexit bis zum 31. Oktober durchbringen, koste es, was es wolle. (Archivbild)
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Abgeordnete reagierten entsprechend empört. «Ziemlich skandalös», kommentierte der Konservative Dominic Grieve, der vehement gegen einen Austritt aus der EU ohne Abkommen ist. Das mache ein Misstrauensvotum gegen Johnson wahrscheinlicher, sagte er der BBC.

Ihm selber falle es schwerer, Vertrauen in die Regierung zu haben, wenn sie das Parlament wirklich in eine Zwangspause schicken wolle. «Boris Johnson versucht, die Königin auszunutzen, um Macht in seinen eigenen Händen zu konzentrieren», schrieb die Labour-Abgeordnete Yvette Cooper.

Johnson will Opposition zuvorkommen

Mit der Massnahme will Johnson offenbar den angekündigten Plänen der Oppositionsparteien zuvorkommen. Sie wollen einen Brexit ohne Austrittsabkommen per Gesetz verhindern. Dafür wäre aber bei einer Parlamentspause kaum genug Zeit. Johnson besteht darauf, an dem vorgesehenen Austrittsdatum festzuhalten - mit oder ohne Abkommen.

Anschuldigungen, er wolle damit die Abgeordneten daran hindern, einen Brexit ohne Abkommen abzuwenden, bezeichnete Johnson als «vollkommen unwahr».

 Er sei weiterhin an einem Brexit-Abkommen interessiert. «Das Parlament wird die Chance haben, über das Regierungsprogramm und seinen Umgang mit dem Brexit vor dem EU-Gipfel zu debattieren, und am 21. oder 22. Oktober darüber abzustimmen», schrieb Johnson in einem Brief an die Abgeordneten.

Heftige Kritik gegen die Premier-Pläne

Der britische Parlamentspräsident John Bercow hat sich empört über die von Premierminister Boris Johnson geplante vorübergehende Schliessung des Parlaments vor dem Brexit gezeigt. Der Schritt stelle einen «Frevel gegen die Verfassung» dar, erklärte Bercow am Mittwoch. Es sei «vollkommen offensichtlich», dass die Absicht hinter der Parlamentsschliessung sei, die Abgeordneten davon abzuhalten, ihrer Pflicht gemäss über den Brexit zu debattieren.

Der frühere Schatzkanzler Philip Hammond twitterte: «Zutiefst undemokratisch.» Es sei eine Schande, wenn das Parlament davon abgehalten werde, der Regierung in Zeiten einer nationalen Krise auf die Finger zu schauen. 

«Der heutige Tag wird als schwarzer Tag für die Demokratie in Grossbritannien in die Geschichte eingehen», schrieb die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon auf Twitter - wenn es den Abgeordneten nicht gelinge, Johnsons Pläne zu stoppen.

«Boris Johnson versucht, die Königin auszunutzen, um Macht in seinen eigenen Händen zu konzentrieren», schrieb die Labour-Abgeordnete Yvette Cooper. Das britische Pfund stürzte um fast ein Prozent ab.

240'000  Unterschriften gegen Zwangspause

Eine Online-Petition von Bürgern gegen die Zwangspause des britischen Parlaments hat Mittwoch innerhalb weniger Stunden mehr als 240'000 virtuelle Unterschriften eingesammelt.

Die Initiatoren verlangen, dass das Parlamentsgeschehen nicht unterbrochen wird, solange Grossbritannien den Austritt aus der Europäischen Union nicht verschiebt oder seinen Austrittsantrag zurückzieht.

Solche Petitionen kann jeder Bürger einbringen, sie sind vor allem symbolischer Natur. Das Parlament muss lediglich zu Petitionen mit mehr als 100'000 Unterzeichnern eine Debatte zulassen. 

Im April kam es zu einer solchen Debatte, weil sechs Millionen Briten eine Petition für einen Widerruf der EU-Austrittserklärung Grossbritanniens gefordert hatten. Direkte Konsequenzen haben weder Petitionen noch solche Debatten.

Gibt es eine Lösung am Brexit-Gipfel?

Der EU-Gipfel ist für den 17. und 18. Oktober geplant. «Wenn es mir gelingt, einen Deal mit der EU auszuhandeln, hat das Parlament die Gelegenheit, das zur Ratifizierung eines solchen Deals nötige Gesetz vor dem 31. Oktober zu verabschieden.» (SDA)

Brexit-News

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

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