«Plötzlich durchschlug der Hagel unser Dach»
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Irene erlebte Horror-Gewitter:«Plötzlich durchschlug der Hagel unser Dach»

Eisbomben verwüsten Wolhusen LU – Irene Zimmermann (61) erlebte bange Momente
«Plötzlich durchschlug der Hagel unser Dach»

Gleich mehrere Superzellen sorgten quer durch die Schweiz für hochgefährliche Monstergewitter. Tennisballgrosse Eisklumpen zertrümmerten alles, was in den Weg kam. Bademeisterin Irene Zimmermann (61) verlor Dach und Garten.
Publiziert: 30.06.2021 um 01:04 Uhr
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Aktualisiert: 30.06.2021 um 07:43 Uhr
Beat Michel (Text) und Philippe Rossier (Fotos)

Die Ziegel auf den Dächern im Zihlenfeld in Wolhusen LU sehen aus, als ob man sie einzeln zerhackt und grossflächig verteilt hätte. Die Quartierstrasse, ein Kilometer ausserhalb des Zentrums der Entlebucher Gemeinde, erinnerte gestern früh an ein Katastrophengebiet in der Südsee nach einem Hurrikan.

Die Autos im Freien sind nicht nur zerbeult, sondern von der Wucht der Eisgeschosse schlicht zusammengestaucht. «Wäre jemand draussen gestanden, hätte es ihn erschlagen», sagt Quartierbewohnerin Irene Zimmermann (61). Für sie und ihre Familie hat das grosse Aufräumen bereits in der Nacht begonnen. Der Schock sitzt tief. «So etwas habe ich noch nie gesehen. Es war apokalyptisch», sagt die langjährige Bademeisterin der Badi Bergboden in Wolhusen.

Erst starke Winde, dann das böse Ende

Das Horrorgewitter startete kurz nach Mittag über dem südlichen Jura, dann wuchsen über dem Genfersee ganze Gewittercluster, die quer durch die Schweiz bis in den Aargau eine Spur der Verwüstung zogen. Um 16 Uhr bildeten sich über dem Napf und im Entlebuch frische Gewitterzellen, kombinierten sich nach Lust und Laune, die Gewitter intensivierten sich laufend. Lokal sehr unterschiedlich donnerten Hagelkörner mit bis zu 7 Zentimeter Durchmesser auf Häuser, Autos und Felder. «Diese Gewitter entwickeln sich sehr schnell. Ihr Verlauf ist unmöglich vorauszusagen», sagt Meteorologe Klaus Marquardt von Meteonews.

Irene Zimmermann (61) wohnt im Zihlenfeld bei Wolhusen LU, wo der Kern der Gewitterzelle durchzog. Der Hagel zertrümmerte das Dach und den Garten. Im Hintergrund holen Helfer die kaputten Ziegel vom Scheunendach.
Foto: Philippe Rossier
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«Zuerst kam der starke Wind», erinnert sich Irene. Dann knallte es. «Gut 15 Minuten lang donnerten die faustgrossen Eisbrocken vom Himmel. Sie zerhackten alles. Plötzlich zertrümmerte der Hagel das Dach, schlug die Fenster ein, zerstörte unseren schönen Garten. Aus den Lampenschirmen an der Decke floss das Wasser.» Nach dem Gewitter dann böse Bilder: Das komplette Dach, der Estrich, das Unterdach und die Dachwohnung waren völlig zerstört.

Irene Zimmermann versuchte noch einem Paar zu helfen, das in einem Auto vor ihrer Haustür ausharrte: «Wir winkten ihnen zu, sie sollten zu uns ins Haus kommen. Es waren nur vier Meter. Aber es war unmöglich. Der Hagel hätte sie vermutlich erschlagen. Sie kauerten sich im Auto zusammen, während die Scheiben zersplitterten.»

Bäume wie Grashalme ausgezupft

In der Nähe steht der Bauernhof von Fritz Weingart (61). Auch seine Dächer sind komplett zertrümmert, das Weizenfeld ist platt, die Weiden von den Einschlägen der Hagelmocken zerfleddert. Am schlimmsten aber treffen den Landwirt die entwurzelten Apfelbäume. Er sagt geschockt: «Vor dem Hagel kamen die Windhosen. Sie zupften die Bäume aus wie Grashalme. Es waren gesunde, 60-jährige Hochstämmer. Die kann mir niemand ersetzen.»

Die gleiche Gewitterzelle zog kurze Zeit später durch Steinhausen, Cham und Baar im Kanton Zug. Der lokale Dachdecker Leo Ohnsorg (55) weiss gar nicht, wo er anfangen soll: «Wir haben 300 bis 400 Schäden, die wir allein in der Region beheben müssen.»

Grösste Schäden seit 20 Jahren

Dieses Gewitter dürfte die Bilanz ganz schön verhageln! Allein bei der Versicherung Allianz Suisse lag das Schadenvolumen des Unwetters vom Montagabend bei rund 96 Millionen Franken (25'000 Schadenmeldungen) – der schwerste Hagelzug seit 20 Jahren!

Besonders betroffen waren wie bereits in der vergangenen Woche die Westschweiz, die Zentralschweiz sowie das linke und rechte Zürichseeufer, wie die Versicherung gestern mitteilte. Die Hagelzüge und Orkanböen haben an unzähligen Orten ein Bild der Verwüstung hinterlassen.

Vor allem Autos und Gartenmöbel wurden durch die teils golfballgrossen Hagelkörner massiv beschädigt, zudem wurden zahlreiche Keller von den Regenmassen überflutet. Das Telefon bleibt seit dem Unwetter nicht mehr still: Bislang sind bei Allianz Suisse schon weit über 5000 Anrufe eingegangen.

Dieses Gewitter dürfte die Bilanz ganz schön verhageln! Allein bei der Versicherung Allianz Suisse lag das Schadenvolumen des Unwetters vom Montagabend bei rund 96 Millionen Franken (25'000 Schadenmeldungen) – der schwerste Hagelzug seit 20 Jahren!

Besonders betroffen waren wie bereits in der vergangenen Woche die Westschweiz, die Zentralschweiz sowie das linke und rechte Zürichseeufer, wie die Versicherung gestern mitteilte. Die Hagelzüge und Orkanböen haben an unzähligen Orten ein Bild der Verwüstung hinterlassen.

Vor allem Autos und Gartenmöbel wurden durch die teils golfballgrossen Hagelkörner massiv beschädigt, zudem wurden zahlreiche Keller von den Regenmassen überflutet. Das Telefon bleibt seit dem Unwetter nicht mehr still: Bislang sind bei Allianz Suisse schon weit über 5000 Anrufe eingegangen.

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