Influencerin filmte Flugzeug-Entführung in Belarus
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«Waren wie Gefangene»:Influencerin filmte Flugzeug-Entführung in Belarus

E-Mail entlarvt Lukaschenko
Wurde Bombendrohung erst nach Kurs-Änderung geschickt?

Der belarussische Herrscher Alexander Lukaschenko behauptet, eine Bombendrohung sei der Grund für die erzwungene Landung eines Ryanair-Flugzeugs am Sonntag gewesen. Doch das entsprechende Mail ging offenbar erst ein, nachdem die Luftwaffe bereits in Aktion getreten war.
Publiziert: 27.05.2021 um 11:45 Uhr
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Aktualisiert: 27.05.2021 um 11:46 Uhr
Am Sonntag holte Diktator Alexander Lukaschenko ein Ryanair-Flugzeug vom Himmel.
Foto: AP
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Am Sonntag verhafteten belarussische Sicherheitskräfte den oppositionellen Blogger Roman Protasewitsch (26) und dessen Lebensgefährtin am Flughafen von Minsk. Er hatte sich an Bord eines Ryanair-Flugzeugs befunden. Dieses war von Athen in Richtung der litauischen Haupstadt Vilnius unterwegs und wurde von einem belarussischen Kampfjet zur Landung gezwungen.

Angeblich war der Grund für die Aktion der Luftwaffe eine Bombendrohung der Hamas. Der belarussische Präsident, Alexander Lukaschenko (66) behauptet sogar, er habe die entsprechende Information aus der Schweiz erhalten. Bloss: Die Bombendrohung ging beim Flughafen Minsk erst ein, nachdem die belarussische Flugkontrolle und die Luftwaffe bereits in Aktion getreten waren. Das E-Mail wurde dem Londoner Dossier Center zugespielt, wie «Daily Beast» berichtet.

Hamas distanziert sich

Die Ryanair-Maschine mit dem Oppositionellen Protasewitsch an Bord erreichte um 12.30 Uhr Ortszeit den belarussischen Luftraum. Die Flugkontrolle in Minsk warnte den Piloten sofort: Man verfüge über Informationen, wonach sich eine Bombe an Bord befinde, die über der litauischen Hauptstadt gezündet werden könnte. Die Flughafensicherheit habe ein entsprechendes Droh-Mail erhalten.

Etwa eine Viertelstunde später, um 12.47 Uhr, wechselte das Flugzeug den Kurs und flog Minsk an. Das E-Mail, das die angebliche Bombendrohung enthielt, ging dem Bericht zufolge erst um 12.57 Uhr auf einem Account des Flughafens Minsk ein.

Das Portal veröffentlichte auch einen Screenshot des E-Mails. Ein User mit der E-Mail-Adresse ahmed_yurlanov1988@protonmail.com gibt darin vor, er sei ein Vertreter der radikalislamischen Hamas. «Wir, die Soldaten der Hamas, fordern, dass Israel das Feuer im Gazastreifen einstellt. Wir fordern, dass die Europäische Union ihre Unterstützung für Israel in diesem Krieg einstellt.» Sollten sie dem nicht nachkommen, werde die Bombe am 23. Mai über Vilnius explodieren – «Allahu Akbar».

Die Hamas streitet jegliche Verbindung zur vermeintlichen Bombendrohung ab. Auch gab es zum Zeitpunkt der erzwungenen Zwischenlandung bereits einen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas.

Schweizer Behörden hatten «keine Kenntnisse»

Das Droh-Mail ging offenbar an weitere Stellen. Kurz bevor die Ryanair-Maschine den belarussischen Luftraum erreichte, ging um 12.25 Uhr ein inhaltsgleiches Schreiben vom selben E-Mail-Konto an den Flughafen Vilnius. Dies schreibt «Der Spiegel» in Berufung auf «Informationen aus dem Umfeld des Flughafens Vilnius».

An der Darstellung von Lukaschenko, die Warnung habe die belarussischen Behörden aus der Schweiz erreicht, gibt es indes starke Zweifel. Die offizielle Schweiz war es gemäss dem Aussendepartement (EDA) nicht. «Die Schweizer Behörden hatten und haben keine Kenntnisse über eine Bombendrohung auf dem Ryanair-Flug Athen-Vilnius», so ein Sprecher von Aussenminister Ignazio Cassis. «Es gab dementsprechend auch keine Meldung der Schweiz an die belarussischen Behörden.»

Kritiker werfen Lukaschenko im Zusammenhang mit der erzwungenen Landung einen gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr vor. Die Aussenminister der EU-Staaten befassen sich derzeit mit dem Vorfall. Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten forderten am Montag den EU-Ministerrat auf, ein neues Sanktionspaket gegen die frühere Sowjetrepublik zu beschliessen. (noo)

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