Dicke Luft in St.Moritz
«Ein unwürdiges Gezanke um Macht»

Der Streit um die touristische Ausrichtung des Oberengadins eskaliert. Ein Unternehmer fordert das Zerschlagen der Vermarktungsorganisation. Nun betritt auch noch Vera Dillier die Bühne.
Publiziert: 30.05.2020 um 21:40 Uhr
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Aktualisiert: 19.07.2020 um 18:43 Uhr
Reza Rafi

In St. Moritz GR schmilzt die Hoffnung auf einen Wandel ­dahin wie der Morteratsch­gletscher in der Höhensonne. Vorletzte Woche scheiterte eine Truppe um den ehemaligen Novartis-Manager Felix Ehrat (63) und den Breitling-CEO Georges Kern (55) mit dem Versuch, die lokale Tourismusorganisation personell und strategisch anders auszurichten.

Die Zukunft der Destination ­hätte ökologischer, jünger und ­digitaler werden sollen – schliesslich dämmert es auch dem letz­ten Steppjackenträger in seinem schwarz lackierten Land Rover, dass die Opulenz der Pferderennen und Pelzmäntel eines Tages nicht mehr reicht. «Der Luxusbegriff wird sich ändern», ist ein Beteiligter überzeugt.

Doch der Aufbruch ist vorerst gescheitert. Bei der Engadin St. Moritz Tourismus AG (ESTM), welche die Region und deren zwölf Gemeinden international vermarktet, setzten sich die lokalen Wirtschafts- und ­Interessenverbände durch. Das ­politische Gleich­gewicht ist wichtiger als der visionäre Firlefanz von Zugezogenen. Zum Präsi­denten ernannt wurde Kurt Bobst (54), ein Manager aus der Bündner Strombranche.

Vor malerischer Kulisse fliegen die Fetzen: St. Moritz Dorf, vom See aus gesehen.
Foto: swiss-image.ch
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«Qualität der Leistung bleibt auf der Strecke»

Es bleibt ein Graben, tiefer als die gewohnten Animositäten gegenüber dem Platzhirsch St. Moritz. Wie weit dieser Graben mittlerweile klafft, zeigt ein Brief, der am vergangenen Freitag an die zwölf Gemeindepräsidenten des Oberengadins ging.

Verfasser ist der freisinnige Immobilienunternehmer Lean­dro A. Testa aus St. Moritz. Wie Gemeindepräsident Christian Jott Jenny (41) zählt er in St. Moritz zu den «Progressiven».

«Wir haben heute eine ESTM AG, die überschuldet ist und ­saniert werden muss, und ein nicht endendes, unwürdiges Gezanke um Macht, Einfluss und Egos», klagt Testa in dem E-Mail, das SonntagsBlick vorliegt. «Dabei bleibt die Qualität der Leistung auf der Strecke.»

Offensichtlicher Zielkonflikt

Dem Trio, das am 16. Mai die Wahl in den VR verweigerte, spendet Testa Beifall: «Den gewählten Verwaltungsräten Felix Ehrat, Marcel Bührer und Richard Leuenberger, die das Mandat letztendlich abgelehnt haben, gratuliere ich. Das war die einzige richtige und konsequente Handlungsoption. Damit haben alle drei bewiesen, dass sie über die notwendige Fachkompetenz und Unabhängigkeit verfügen. Das verdient Respekt.»

Testas vernichtendes Résumé: «Die bisherigen Strategien und Taktiken in Bezug auf die Gestaltung der ESTM AG sind gescheitert.» Er plädiert dafür, den Betrieb in eine Organisation für St. Moritz und eine für den Rest des Tals aufzuteilen, um den «offensichtlichen Zielkonflikt» zu lösen.

Endgültig genug hat der Präsident von Samedan: Jon Fadri ­Huder (53), ein Ur-Engadiner, bewirbt sich als Gemeindepräsident von Ebnat-Kappel SG im Toggenburg.

Auftritt Vera Dillier

Als ob die Operette nicht schon unterhaltend genug wäre, betritt nun eine weitere Figur die Bühne: Jetsetterin Vera Dillier gab diese Woche ihre Kandi­datur für den St. Moritzer Gemeinderat bekannt. Gemäss BLICK sei ihr ­Entscheid unabhängig von den Vorgängen bei der ESTM gefallen.

Einzig Gemeindepräsident Jenny – der mit Dillier nicht bekannt ist – sorgt für etwas Courant normal. Ob Machtkampf oder Corona: Sein ­Festival da Jazz findet diesen Sommer statt.

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