Blutiger Kampf für Demokratie
China unterdrückt Erinnerung an 30. Jahrestag des Tiananmen-Massaker

Chinas Verteidigungsminister hat das blutige Niederschlagen der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens vor 30 Jahren als richtigen Entscheid gerechtfertigt. Nur aufgrund solcher Massnahmen sei das Reich der Mitte stabil.
Publiziert: 02.06.2019 um 06:54 Uhr
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Aktualisiert: 04.06.2019 um 09:52 Uhr

In einer seltenen Äusserung eines chinesischen Politikers zu den Vorkommnissen von damals auf dem Tiananmen Square in Peking sagte Wei Fenghe am Sonntag auf einer Sicherheitskonferenz in Singapur, die Proteste seien politische Unruhen gewesen. Diese habe die chinesische Regierung bezwingen müssen. «Das war das korrekte Vorgehen. Deshalb ist China stabil», betonte er.

Bis heute keine genauen Opferzahlen

Am kommenden Dienstag jähren sich die von Studenten angeführten Proteste für Frieden und Pressefreiheit auf dem Platz des Himmlischen Friedens, die vom chinesischen Militär mit Waffengewalt niedergeschlagen wurden, zum 30. Mal. Menschenrechtsorganisationen sprechen von hunderten, vielleicht sogar tausenden Toten. China hat Zahlen zu den Opfern von damals nie veröffentlicht.

Das Tian'anmen-Massaker

Die chinesische Armee war in der Nacht zum 4. Juni 1989 mit Panzern gegen Studenten vorgegangen, die auf dem Pekinger Tiananmen-Platz wochenlang für mehr Demokratie demonstriert hatten. Die chinesische Regierung erklärte Ende Juni 1989, bei der Unterdrückung der «konterrevolutionären Aufstände» seien 200 Zivilisten und mehrere Dutzend Sicherheitskräfte getötet worden. Die Führung in Peking lässt bis heute keine echte Aufarbeitung der Vorfälle zu. Berichte über das Blutbad werden zudem zensiert.

Chinas Verteidigungsminister Wei Fenghe verteidigte am Sonntag auf einer Konferenz in Singapur das Vorgehen seines Landes auf dem Tiananmen-Platz vor dreissig Jahren.
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Verlagerung der Demonstration nach Hongkong

Während es am Jahrestag in China still sein dürfte, werden am Abend in Hongkong Zehntausende Menschen zu einer Demonstration erwartet. Seit 1990 findet jeweils im Viktoria-Park eine Kerzenandacht statt, an der nach Angaben der Organisatoren in manchen Jahren sogar 150'000 bis 200'000 Menschen teilgenommen haben.

«Ich denke, die Hongkonger haben das Gefühl, dass wir definitiv die Verantwortung tragen, die Bewegung voranzubringen«, sagte Richard Tsoi, Vizevorsitzender der Hongkonger Allianz zur Unterstützung der Demokratiebewegung in China. «Wir haben noch Freiheit in Hongkong, deswegen müssen wir unsere Stimme erheben.»

Anders als die Menschen in der Volksrepublik geniessen die Bewohner der chinesischen Sonderverwaltungsregion grössere politische Freiheiten. Seit der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie 1997 an China wird Hongkong als eigenes Territorium autonom regiert.

Zensur, Festnahmen und Zwangsferien in China

In China lief die Zensur vor dem Jahrestag auf Hochtouren. Im Internet beseitigte Software alle Hinweise auf das Blutbad. Die Staatssicherheit verschärfte die Überwachung.

Mit dem Anwachsen der demokratischen Kräfte hat die kommunistische Führung in Peking allerdings ihren Griff verstärkt. So wurde dem früheren Studentenführer Feng Congde die Einreise nach Hongkong verweigert, wie die «South China Morning Post» berichtete. 

Nach der Ankunft am Montag am Flughafen sei der in den USA im Exil lebende Bürgerrechtler wieder in ein Flugzeug zurück nach Tokio gesetzt worden. Der Aktivist habe in dem Vorgehen den Beweis dafür gesehen, dass Hongkong kein unabhängiges Justizsystem mehr habe.

Die Möglichkeiten der «Mütter von Tian'anmen» (einem Netzwerk der betroffenen Familien), mit der Aussenwelt zu kommunizieren oder sich frei zu bewegen, seien schwer eingeschränkt worden, berichtete Human Rights Watch. Besonders betroffen seien die 82-jährige Ding Zilin und die 81-jährige Zhang Xianling, deren Söhne 1989 getötet worden waren.

Staatssicherheitsagenten brachten den bekannten Pekinger Bürgerrechtler Hu Jia am Freitag in «erzwungene Ferien» in die Hafenstadt Qinhuangdao, wie die Organisation ferner berichtete. Andere seien festgenommen worden. 

So am 17. Mai der Filmemacher Deng Chuanbin in der Provinz Sichuan, weil er auf Twitter ein Foto mit Hinweis auf das Pekinger Massaker verbreitet habe. Die Polizei in der Provinz Anhui habe zudem am 16. Mai den Bürgerrechtler und Teilnehmer an der Demokratiebewegung 1989, Shen Liangqing, wegen «Störung der Ordnung» festgenommen. 

Wie die Organisation berichtete, sei 2016 die letzte bekannte Person, die seit dem Massaker noch in Haft gewesen sei, nach 27 Jahren auf freien Fuss gekommen. Andere damalige Teilnehmer seien aber wegen ihres anhaltenden Engagements für Demokratie wieder inhaftiert worden. Human Rights Watch schilderte acht konkrete Fälle. (SDA)

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