Reaktion auf Massenhinrichtungen
Saudi-Arabien bricht diplomatische Beziehungen zum Iran ab

Die Hinrichtung des schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr hat die Spannungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran massiv verschärft. Riad hat seine diplomatischen Beziehungen zu Teheran beendet, die Diplomaten müssen das Land verlassen.
Publiziert: 03.01.2016 um 21:23 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 18:53 Uhr
Greift hart durch: Saudi-König Salman.
Foto: imago/UPI Photo
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Saudi-Arabien bricht nach dem Streit um die Hinrichtung des schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr seine diplomatischen Beziehungen zum Iran ab. Das Botschaftspersonal werde aus Teheran abgezogen, kündigte Aussenminister Adel al-Dschubair heute Abend in Riad an.

Der schiitische Geistliche Scheich Nimr Baker al-Nimr wurde hingerichtet.
Foto: Reuters

Saudi-Arabien habe die diplomatische Mission des Iran aufgefordert, das Königreich innerhalb von 48 Stunden zu verlassen, sagte Al-Dschubair.

Saudi-Arabien hatte gestern im Zuge einer Massenhinrichtung von 47 Menschen wegen Terrorismusvorwürfen auch Nimr al-Nimr exekutiert. Dies verschärfte die Spannungen zwischen den beiden Staaten massiv.

Demonstranten stürmten saudische Botschaft

Der schiitische Iran, der mit dem sunnitisch geprägten Königreich um die Vormachtstellung in der Region ringt, hatte empört reagiert. Die saudischen Führer würden «die Rache Gottes spüren», drohte der oberste Führer des Irans, Ajatollah Ali Chamenei. In der Nacht auf heute stürmten iranische Demonstranten die saudische Botschaft in Teheran, setzten Teile des Gebäudes in Brand und verwüsteten Büros.

Dieser Angriff sei ein «schwerwiegender Bruch internationaler Konventionen», sagte al-Dschubair am Sonntagabend. Er warf Teheran vor, die Führer des Terrornetzwerkes Al-Kaida zu schützen und Waffen zu schmuggeln. «Saudi-Arabien wird seinen Weg, Terrorismus zu vernichten, weitergehen», kündigte al-Dschubair an.

Gemeinsamer Feind: Islamischer Staat

Der Iran und Saudi-Arabien spielen eine Schlüsselrolle bei der Lösung des Konflikts in Syrien und dem Irak. Das internationale Vorgehen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hatte zuletzt zu einer leichten Annäherung beider Widersacher geführt. Sie sind zugleich auch die wirtschaftsstärksten Staaten im Mittleren Osten.

Nach der Hinrichtung Al-Nimrs, der lange Zeit im Iran lebte und in Saudi-Arabien die Unterdrückung der schiitischen Minderheit anprangerte, flammten Proteste unter Schiiten in anderen Ländern auf.

Im Irak gingen in der Provinz Al-Wasit Hunderte auf die Strasse und forderten die Schliessung der saudischen Botschaft in Bagdad. Auch in Bahrain und dem indischen Teil Kaschmirs demonstrierten insgesamt Tausende gegen die Hinrichtung des 55-jährigen Geistlichen.

«Tod der saudischen Königsfamilie»

Trotz weiträumiger Absperrungen versuchten in Teheran auch am Sonntag Hunderte Demonstranten zur saudischen Botschaft vorzudringen. Es gab Zusammenstösse mit der Polizei und Rufe nach dem «Tod der saudischen Königsfamilie».

Der iranische Präsident Hassan Ruhani verurteilte den nächtlichen Sturm auf die Auslandsvertretung. «Der Angriff von Extremisten auf die saudische Botschaft in Teheran ist in keiner Weise zu rechtfertigen und hatte negative Auswirkungen auf das Image des Iran», erklärte Ruhani.

Die EU, Uno und die USA hatten sich am Wochenende besorgt über die jüngste Entwicklung gezeigt. UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon zeigte sich «zutiefst bestürzt» und äusserte «ernsthafte Zweifel an der Art der Strafen und der Fairness der Verfahren» in Saudi-Arabien. Er rief die rivalisierenden Religionsgruppen zur Zurückhaltung auf. Alle Verantwortlichen in der Region müssten zu einem Abbau der Spannungen beitragen.

Todesurteil als politisches Instrument

Al-Nimr war ein entschiedener Gegner des erzkonservativen sunnitischen Königshauses in Riad. Er hatte im Arabischen Frühling im Jahr 2011 die Abspaltung der östlichen Regionen Katif und Al-Ihsaa befürwortet, in denen die meisten der rund zwei Millionen Schiiten Saudi-Arabiens leben.

Im Oktober 2014 wurde Al-Nimr in Saudi-Arabien wegen Aufwiegelung, Ungehorsams und Waffenbesitzes zum Tode verurteilt. Saudi-Arabien sah es als erwiesen an, dass der Geistliche hinter Anschlägen in dem Land stand. Für den Iran hingegen war er ein wichtiger Verfechter der Rechte der schiitischen Minderheit.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty hatte in der Vergangenheit kritisiert, Saudi-Arabien setze das Todesurteil auch als politisches Instrument gegen die schiitische Minderheit ein, die etwa 15 Prozent der Bevölkerung ausmacht und vor allem im ölreichen Osten des Landes angesiedelt ist. (SDA)

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