Nahost-Experte Erich Gysling analysiert für BLICK Trumps Jerusalem-Entscheid
Trumps Todesstoss

Die USA verlegt ihre Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Was bedeutet der Entscheid von Trump für den Frieden in Nahost?
Publiziert: 07.12.2017 um 19:03 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 23:30 Uhr
Muslime laufen Sturm gegen Trump
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Demonstration wegen Jerusalem-Entscheidung:Muslime laufen Sturm gegen Trump
Erich Gysling

Mit seiner Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, hat Donald Trump den Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern den Todesstoss versetzt. Weshalb sollte Mahmud Abbas mit seinen Leuten noch mit der Equipe Netanjahus verhandeln, wenn das Kernstück nicht mehr zur Debatte steht? Und wenn, parallel dazu, im Lebensraum der Palästinenser immer mehr israelische Städte (beschönigend als Siedlungen bezeichnet) gebaut werden?

Der US-Präsident sagt, er anerkenne schlicht und einfach eine Realität. Und jedes Land habe das Recht, seine eigene Hauptstadt zu bestimmen. Als ob das im konkreten Fall so einfach wäre!

Jerusalem besteht etwa zur Hälfte aus 1967 von Israel besetztem Territorium, und seit nunmehr schon fünfzig Jahren beharrt die internationale Gemeinschaft darauf, dass der Status der Stadt nur durch eine Einigung zwischen Israel und den Palästinensern definitiv bestimmt werden dürfe. Dazu gibt es Resolutionen in der Uno, die seinerzeit auch die USA unterschrieben haben. Was Trump jetzt beschloss, heisst, dass dieser Konsens null und nichtig sei.

Islamischer Anspruch wird gerne in Frage gestellt

Religion spielt in Bezug auf Jerusalem eine mächtige Rolle. Die Stadt gilt sowohl Juden als auch Muslimen als heilig – auch den Christen, aber die stellen keine territorialen Ansprüche. In der jüdischen Geschichte wurde Jerusalem ab dem 9. vorchristlichen Jahrhundert wichtig, in der islamischen ab dem 7. nachchristlichen.

Der islamische Anspruch allerdings wird von Nicht-Muslimen gerne in Frage gestellt – Jerusalem werde im Koran namentlich nicht erwähnt, wird argumentiert, und der Prophet sei physisch auch nie dort gewesen, sondern habe sich nur in der Traumreise von Mekka zum «makan al-aqsa» (dem «fernsten Ort») versetzen lassen, was dann in der islamischen Tradition als Jerusalem interpretiert worden sei.

Sachlich mag das zutreffen, aber leugnen lässt sich dennoch nicht, dass Jerusalem für die Muslime zur drittwichtigsten Stätte wurde, nach Mekka und Medina. Und dass alles im Zusammenhang mit Jerusalem gewaltige Emotionen aufwühlt.

Kann er die Bürger beruhigen?

Die Weichenstellung des US-Präsidenten birgt die Gefahr massiver Proteste aus der arabischen Welt, auch aus der Türkei und Iran, in sich. Donald Trump selbst mag sich damit beruhigen, dass er die wesentlichsten Regierungen im Nahen und Mittleren Osten in seine Strategie eingebunden hat – Ägypten und Jordanien durch jährlich fällige Dollar-Milliarden, Saudi-Arabien durch Rüstungsverträge. Ob das genügt, um auch die Bürger und Untertanen in diesen Ländern und die Palästinenser ruhigzustellen?

Naher Osten: Alle aktuellen Ereignisse nach Trumps Jerusalem-Entscheid gibt es im Israel-Ticker.

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