BLICK erklärt, wer gewinnt – und wer verliert
Das ist der Johnson-Deal

Boris Johnson kann einen Brexit-Vertrag präsentieren, der seine Handschrift trägt. Doch ob er damit aus der EU aussteigen kann, ist noch unklar.
Publiziert: 18.10.2019 um 17:42 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2019 um 14:00 Uhr
Wer einen Deal eintütet, kann auch wieder nett zueinander sein: Johnson und Juncker bei ihrer gemeinsamen Presseerklärung am Donnerstag.
Foto: AFP
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Fabienne Kinzelmann

Showdown in Westminster. Am Samstag müssen die britischen Parlamentarier zur Sondersitzung antraben. Boris Johnsons (55) Brexit-Deal verdirbt ihnen das Wochenende. Seine Vorgängerin Theresa May (63) scheiterte mit ihrem Entwurf drei Mal an den Abgeordneten. Hat Johnson bessere Chancen? BLICK klärt die wichtigsten Fragen.

Was unterscheidet Johnsons von Mays Deal?

Der nordirische Backstop, der grosse Knackpunkt im Brexit-Streit, ist ersetzt. Ansonsten sind sich die Vertragsentwürfe zum Verwechseln ähnlich. Johnsons Deal hat 141 Klauseln – nur sechs weniger als Mays.

Was ist der Backstop?

Das ursprüngliche Abkommen sieht für Nordirland eine spezielle Zollunion mit der EU vor. Damit sollte eine harte Grenze auf der irischen Insel verhindert werden. Sollte vor dem Austritt Grossbrittaniens aus der EU am 29. März kein Vertrag zustande, kommt der sogenannte Backstop zum Zug.

Die Übergangsmassnahme soll eine harte Grenze auf der Insel verhindern, indem Nordirland teil des EU-Binnenmarktes bliebe.

Doch vor allem dieser Backstop stösst bei Unionisten und Konservativen in England auf Widerstand. Denn mit einem Backstop verliefe die EU-Aussengrenze zwischen Irland und Grossbritannien in der irischen See. Exporte aus England nach Nordirland wären dann nicht mehr so einfach möglich und würde der britischen Wirtschaft schaden.

Größter Streitpunkt der Brexit-Verhandlungen ist der sogenannte Backstop.

Das ursprüngliche Abkommen sieht für Nordirland eine spezielle Zollunion mit der EU vor. Damit sollte eine harte Grenze auf der irischen Insel verhindert werden. Sollte vor dem Austritt Grossbrittaniens aus der EU am 29. März kein Vertrag zustande, kommt der sogenannte Backstop zum Zug.

Die Übergangsmassnahme soll eine harte Grenze auf der Insel verhindern, indem Nordirland teil des EU-Binnenmarktes bliebe.

Doch vor allem dieser Backstop stösst bei Unionisten und Konservativen in England auf Widerstand. Denn mit einem Backstop verliefe die EU-Aussengrenze zwischen Irland und Grossbritannien in der irischen See. Exporte aus England nach Nordirland wären dann nicht mehr so einfach möglich und würde der britischen Wirtschaft schaden.

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Wie wurde der Zankapfel Backstop ersetzt?

Durch eine einmalige Regelung: Zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland gibt es erstmal keine Grenzkontrollen und Zölle. Das heisst, dass beispielsweise ein nordirischer Fischkutter, auch wenn er unter britischer Flagge fährt, seinen Fang nach Nordirland verkaufen kann – und zwar nach EU-Recht.

Ansonsten aber bleibt Nordirland in der Zollunion mit Grossbritannien, um auch von Freihandelsverträgen etc. zu profitieren. Waren werden an britischen Häfen geprüft und diejenigen mit dem definitiven «Endziel» Nordirland können ohne Zölle verschifft werden. Brexit-Chefverhandler Michel Barnier (68) erklärte allerdings: «Waren, die über Nordirland möglicherweise auf den EU-Binnenmarkt gelangen könnten, werden nach EU-Recht verzollt.» Kurz: Nordirland soll nicht zur billigen Einfallstür für Waren aus Drittländern werden. 

Und: Die besondere Zollregelung ist nicht endgültig. Ab 2024 wird immer für vier bis acht Jahre im nordirischen Parlament über eine Verlängerung abgestimmt.

Brexit-News

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

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Wer gewinnt bei Johnsons Deal?

  • Johnson selbst, der einen neuen Brexit-Deal ohne den umstrittenen Backstop präsentieren kann.

  • Die EU, die kaum Zugeständnisse machen musste – und trotzdem nicht um eine Gefährdung des Karfreitagsabkommens durch eine neue Grenze auf der irischen Insel fürchten muss.

  • Brexit-Chefverhandler Michel Barnier, der geschickt verhandelt hat.

  • EU-Komissionspräsident Jean-Claude Juncker (65), der den Deal – auch im Gegensatz zum Rahmenvertrag mit der Schweizer – kurz vor Ende seiner Amtszeit möglicherweise eintüten kann.

  • Die Nordiren, die nicht um den hart erkämpften Frieden fürchten müssen – und durch den regelmässigen Abstimmungs-Mechanismus die Kontrolle behalten.

Wer verliert beim Deal?

Die nordirische DUP. Sie hätte gern das alleinige Vetorecht bei möglichen Verlängerungen des speziellen Zoll-Deals gehabt.

Schafft es Johnsons Deal durchs Parlament?

Es wird knapp. Aber: Die Chancen sind laut Experten grösser als bei Mays Deal. Der umstrittene Backstop ist raus, die Zeit drängt. Gleichzeitig fehlt Johnson eine Regierungsmehrheit im Parlament.

Gut für den Briten-Premier: Er hat die Gruppe der Tory-Brexit-Hardliner um Jacob Rees-Mogg hinter sich. Den 21 aus der Fraktion geschmissenen Tories hat er zudem angeboten, dass sie wieder aufgenommen werden, wenn sie für den Deal stimmen – die meisten werden wohl annehmen.

Gleichzeitig muss er versuchen, die DUP wieder an Bord zu holen. Das hatte May in der Vergangenheit schon einmal geschafft. Und dann hofft er noch auf einige Labour-Stimmen – auch wenn Oppositionschef Jeremy Corbyn (70) gegen den Deal wettert.

Was passiert, wenn Johnsons Deal abgeschmettert wird?

Lehnen die Abgeordneten den Vertragsentwurf ab, muss Johnson bei der EU um eine Verlängerung des Ausstiegsdatums betteln. Dazu verpflichtet ihn das «No-No-Deal»-Gesetz, mit dem ihm das Parlament untersagt hat, am 31. Oktober ohne Abkommen aus der EU auszutreten. 

Die komplette Brexit-Chronologie

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seit diesem Zeitpunkt fand zwischen der EU und Grossbritannien aber auch innerhalb des Vereinigten Königreichs ein langwieriger politischer Prozess der Kompromissfindung statt. Mehrere Abgeordnete und sogar Premierminister traten aufgrund der Vertragsverhandlungen zurück. Am 31. Januar 2020 trat Grossbritannien schliesslich aus der EU aus.

BLICK zeigt die wichtigsten Stationen des chaotischen Prozesses seit dem Austrittsvotum der Briten auf.


Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seit diesem Zeitpunkt fand zwischen der EU und Grossbritannien aber auch innerhalb des Vereinigten Königreichs ein langwieriger politischer Prozess der Kompromissfindung statt. Mehrere Abgeordnete und sogar Premierminister traten aufgrund der Vertragsverhandlungen zurück. Am 31. Januar 2020 trat Grossbritannien schliesslich aus der EU aus.

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