Zwei Jahre Krieg in der Ukraine
Hinschauen – auch wenn es wehtut

Wir dürfen das Grauen des Kriegs nicht verdrängen. Solidarität mit den Ukrainerinnen und Ukrainern ist heute wichtiger denn je.
Publiziert: 24.02.2024 um 14:20 Uhr
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Aktualisiert: 25.02.2024 um 09:28 Uhr

Heute vor zwei Jahren begann Wladimir Putin seinen Vernichtungsfeldzug gegen die Ukraine: zwei Jahre Angst, Zerstörung, Tod. Der Einschlag der ersten Rakete in einen Wohnblock in Kiew schockierte uns alle. Krieg in Europa – ein ganzer Kontinent, herausgerissen aus seiner Lethargie.

Der 24. Februar 2022 löste eine riesige Bewegung aus. Städte hissten Ukraine-Flaggen, Hunderttausende gingen auf die Strasse, Wahrzeichen des Westens erstrahlten in Blau-Gelb: der Rheinfall in Schaffhausen, das Brandenburger Tor, der Eiffelturm.

Und nun? Greift offenbar das grosse Verdrängen um sich. Die täglichen Nachrichten von der Front interessieren kaum noch. Ohnehin gibt es dort keine grösseren Verschiebungen mehr. Das Kampfgeschehen zieht sich hin. Die Solidarität weicht Gefühlen der Ohnmacht – das russische Mörderregime, seine Militärmaschinerie und sein gnadenloser Machthaber Putin, der täglich Tausende Rekruten an die Front karren lässt, scheinen auf Dauer stärker zu sein. Das zermürbt. Die grausamen Verbrechen in der Ukraine drohen im Nebel des täglichen Abnutzungskriegs unsichtbar zu werden. 

Der Krieg in der Ukraine darf nicht zur Normalität werden.
Foto: Patryk Jaracz
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Diese Abstumpfung – sie ist nur allzu menschlich.

Valentyna zählt die Tage

Eine Woche nach Kriegsbeginn erzählte mir Valentyna (35) aus Kiew: «Seit der Invasion verschwimmen die Wochentage. Wir reden nicht mehr von Montag oder Dienstag. Heute ist einfach Tag fünf – Tag fünf seit dem Angriff.» Valentyna lebt auch heute noch in ihrer Heimatstadt. Noch immer flieht sie beinahe täglich vor russischen Bomben in den Keller. Heute ist Tag 731.

Doch der zu Beginn so ansteckende Heldenmut der Ukrainerinnen und Ukrainer hat sich abgenutzt. Die Mobilisierung im Land stockt, der Pool an Freiwilligen ist ausgeschöpft. Es fehlt an Munition, an Waffen – und an Perspektiven. Mit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten könnte sich im dritten Jahr des Kriegs der mächtigste Verbündete von der Ukraine abwenden.

Die kriegsmüde Bevölkerung braucht unsere Solidarität heute mehr denn je. Nicht nur symbolisch, nicht nur moralisch. Europa muss das Land verstärkt mit wirksamen Waffen beliefern, russische Gelder konsequent einfrieren und Mittel für die humanitäre Hilfe bereitstellen. 

Daran ist nichts normal

Wenn wir der Ukraine zur Seite stehen wollen, müssen wir gegen das Verdrängen ankämpfen. Und verhindern, dass uns der Status quo zu lähmen beginnt, vielleicht sogar ein Gefühl der Normalität aufkommt. Auch wenn kein Ende des Kriegs in Sicht ist: Normal ist daran nichts. Putins Killer töten Kinder, löschen Familien aus, machen ganze Städte unbewohnbar. Sein Angriff gilt uns allen. Der russische Autokrat wartet nur darauf, bis wir uns davon abwenden.

Schauen wir weiter hin – auch wenn es wehtut.

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