BLICKpunkt
Vom Wert des Dialogs

Viele in Wirtschaft und Politik haben noch nicht verstanden, dass sie dringend wieder Vertrauen aufbauen müssen. Sonst werden weitere Reformen scheitern.
Publiziert: 18.02.2017 um 13:21 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 01:08 Uhr
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Christian Dorer

Noch immer sitzt der Schock bei Bundesräten, Kantonsregierungen, Wirtschaftsführern und Verbandschefs tief: 59,1 Prozent Nein zur Unternehmenssteuerreform. Und das, obwohl sie ihr ganzes Gewicht für ein Ja eingesetzt hatten!

Der Schrecken ist deshalb so nachhaltig, weil er Folge eines gewaltigen Vertrauensverlustes ist, einer Spaltung zwischen Volk und Elite, einer Rebellion des Mittelstandes gegen «die da oben».

Umso mehr erstaunten diese Woche zwei aktuelle Meldungen:

  • Der Bundesrat beschloss, dass Unterlagen über öffentliche Beschaffungen künftig geheim sind. Die Wähler sollen also nicht mehr das Recht haben, zu erfahren, wie die Behörden ihre Steuergelder einsetzen. Glaubt der Bundesrat wirklich, dass er damit Vertrauen schafft?
  • Die Grossbanken UBS und Credit Suisse lassen Fotografen an Medienkonferenzen ab sofort nur noch in den ersten Minuten zu. Um im besten Licht zu erscheinen, müssen die Bankchefs künftig also lediglich kurz lächeln. Glauben sie wirklich, dass sie damit Vertrauen schaffen?

Das Volk ist keine manipulierbare Masse, die sich an der Nase herumführen lässt, sondern ein Kollektiv von mündigen Bürgern mit ausgeprägtem Bauchgefühl. Im Kampf um die Steuerreform glaubte deshalb niemand so recht die Übertreibungen von hüben wie drüben.

Nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung, sobald die Schlacht geschlagen ist, rauft man sich wieder zusammen: Das war bisher das Schönste an der Demokratie. Nun geht der Bruch tiefer – aber viele haben offenbar noch nicht begriffen, dass keine Reform mehr eine Mehrheit finden wird, wenn die Bevölkerung den Entscheidungsträgern nicht mehr traut. 

Was können die Medien in dieser Lage tun? Informieren, aufklären, einordnen, das ist für uns selbstverständlich. Doch BLICK will mehr: die Akteure zusammenführen, Diskussionen anstossen, den Dialog zwischen Bürgern und Elite wieder aufnehmen. Und zwar ganz praktisch, ganz direkt.

Gestern fand ein erstes BLICK-Bürgergespräch statt. Mit Lesern auf der einen und Heinz Karrer, dem Präsidenten von Economiesuisse, auf der anderen Seite. Es war auch eine Chropfleerete: «Ich glaube nicht mehr, was da oben erzählt wird.» «Übernehmen Sie eine Vorbildfunktion!» «Alle polemisieren – wem soll man noch glauben?»

Aber es war auch gelebte Demokratie! 

Bei Karrer ist die Botschaft angekommen. Bei vielen noch nicht. Dabei bleibt wenig Zeit. Schon bald kommt die AHV-Reform vors Volk. Sie ist – wie die Steuerreform – unabdingbar. Doch wenn das Fuder überladen wird und die Massnahmen nicht einleuchten, wird auch sie an der Urne ein Debakel erleben.

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