BLICKpunkt von Christian Dorer über einen sonderbaren Charakterzug in der Familie Blocher
Der göttliche Auftrag

Christoph Blocher wollte, wie er sagt, nicht Bundesrat werden – er musste. Seine Tochter Magdalena Martullo will nicht in die SVP-Parteileitung – sie muss. Weshalb stehen die beiden nicht zu ihren Ambitionen?
Publiziert: 09.03.2018 um 23:40 Uhr
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Aktualisiert: 21.01.2019 um 11:32 Uhr
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Christian Dorer

Ich bin mit Leib und Seele Chefredaktor. Und ich bin es absolut freiwillig. Hätte ich nicht gewollt, würde heute ein anderer den Job machen – womöglich sogar besser.

Klar ist auch: Vielen Menschen fällt es schwer zu bekennen, dass sie ein Amt anstreben. Besonders grosse Mühe haben offenbar manche Mitglieder der Familie Blocher.

Am Montag fragte BLICK das Familienoberhaupt, ob es sich aus dem SVP-Parteiausschuss zurückziehen werde, wenn seine Tochter Magdalena Martullo (48) nachrücke. Die Antwort Christoph Blochers (77): «Sie will nicht, obwohl sie eine starke Kraft wäre.»

Familienbande: Christoph Blocher (77) mit Tochter Magdalena Martullo (48) bei der Ems-Buch-Präsentation 2011.
Foto: KEYSTONE/Walter Bieri

Keine 24 Stunden später löste Martullo ihren Vater an der Parteispitze ab und rückte in ebendiesen Parteiausschuss nach!

Hatte da jemand geschummelt – oder gar gelogen? Natürlich nicht, denn von «wollen» könne, so Martullo, keine Rede sein: «Ich mache es, weil es nötig ist.» Und empfiehlt sich mit demselben unbescheidenen Gestus gleich noch für die Landesregierung: «Das wäre der Worst Case, wenn ich noch Bundesrätin werden müsste. Ich habe früher auch gesagt, ich hoffe, es werde nie nötig sein, in die Politik zu gehen. Doch es wurde nötig!»

Vielen kam diese Herumdruckserei bekannt vor: Das alles hatten wir doch schon einmal?

1999 verkündete Christoph Blocher seine erste Bundesratskandidatur: «Ich wäre heute noch froh, ich müsste nicht Bundesrat werden. Aber ich habe immer gesagt, dass ich das Amt annehmen würde, falls es nötig wäre.» Und siehe da: Aus seiner Sicht wurde es nötig!

Er zeigte kein Sendungsbewusstsein, keinen Siegeswillen, nicht einmal Ehrgeiz: «Ich trete nur mit Widerwillen an.» Und, Gipfel der Selbstverleugnung: «Für mich wäre das Bundesratsamt eine grosse Last. Aber ich würde diese Last tragen.»

Es ist nicht nur legitim, ein hohes Amt im Staat anzustreben, Karrierepläne zu haben, vielleicht sogar Bundesrat werden zu wollen. Es gehört zum Wesen der Demokratie, dass jeder Bürger solche Wünsche hegt – hegen soll. Aber warum fällt es manchen so schwer, das einfach zuzugeben?

Wenn jemand Einfluss ausüben, Dinge bewegen, das Land voranbringen will: Nur zu! Bravo! Wundervoll! Unser Milizsystem lebt davon, dass sich Bürgerinnen und Bürger engagieren. Aber es zeugt von un-schweizerischer Arroganz, wenn jemand so tut, als sei er der einzig geeignete Bewerber. Als könne nur er eine Aufgabe erfüllen. Als würde er sich für die Gemeinschaft opfern, sich im höheren Auftrag in sein oder ihr Schicksal fügen und die Last im Interesse aller auf sich nehmen.

Der höhere Auftrag! Es ist das zentrale Element der Selbstwahrnehmung des Blocher-Clans, der ideologische Kern des Machtanspruchs dieser Familie, einer der reichsten des Landes.

Fragt sich bloss: Woher kommt dieser Auftrag? Von Gott persönlich?

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