BlickPunkt über ein anrüchiges Reisli
So schön ist es in Flüeli-Ranft

Die Post lud mehr als 100 ihrer Kader zum Seminar – in Vietnam. Das zeigt, dass diese Staatsfirma ihre Rolle falsch versteht: Sie täte gut daran, bescheiden und verlässlich Service public zu bieten. Stattdessen führt sie sich wie ein privater Multi auf.
Publiziert: 02.02.2019 um 00:24 Uhr
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Aktualisiert: 02.02.2019 um 11:56 Uhr
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Christian Dorer

Die Chefredaktion der Blick-Gruppe zog sich diese Woche für zwei Tage aus dem Newsroom zurück, um abseits vom Alltag ihre Jahresziele zu besprechen, neue Ideen zu entwickeln und – klar – auch mal wieder ein wenig Luft für das Gesellige zu haben. Ort der Retraite war das historische Drei-Sterne-Hotel Paxmontana in Flüeli-Ranft OW, der Heimat von Niklaus von der Flüe (1417–87). Wo einst der heilige Bruder Klaus wirkte, genossen wir die Innerschweizer Gastfreundschaft, zum Znacht gabs frische Forelle aus Ennetmoos, zu den Frühstücks-Gipfeli wurde herrliche Butter von der Molkerei Schnider in Giswil gereicht.

Es wäre uns nie in den Sinn gekommen, etwa in den Schwarzwald oder nach Tirol zu reisen. BLICK ist die grösste Schweizer Medienmarke, wir verdanken unsere Arbeitsplätze Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, und unseren Schweizer Inserenten. Wir verdienen unser Geld in der Schweiz und geben es auch in der Schweiz wieder aus – dabei könnten es wir als privates Unternehmen halten, wie wir wollen.

Die Post ist kein Privatunternehmen. Sie gehört dem Staat – also allen Bürgerinnen und Bürgern. Für sie müsste es erst recht selbstverständlich sein, dass sie ihre Kaderseminare in der Schweiz abhält: damit ein Schweizer Hotel seine Betten belegen, ein Schweizer Fischer seine Forellen verkaufen und eine Schweizer Molkerei ihre Butter liefern kann ...

Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe

Und was machte die Post-Tochter Swiss Post Solutions? Sie liess am 21./22. Januar mehr als hundert Kader nach Ho-Chi-Minh-Stadt in Vietnam einfliegen. Luftlinie ab Zürich: 9732 Kilometer. Vom ökologischen Wahnsinn einmal abgesehen: Wie kann ein Staatsunternehmen derart unsensibel sein? Wie kann der Post entgehen, dass eine solche Reise völlig unangebracht ist?

Vor genau einem Jahr verlor sie viel Vertrauen bei der Bevölkerung, weil Postauto den Steuerzahler mit falschen Buchungen um Hunderte Millionen Franken betrogen hatte.

Eigentlich müsste die Post nun hart daran arbeiten, dieses Vertrauen wiederzugewinnen. Stattdessen leistet sie sich eine solche Eskapade!

Verwaltungsratspräsident Urs Schwaller wollte sich den kritischen Fragen von BLICK nicht stellen. Das letzte Mal hatte Schwaller für Schlagzeilen gesorgt, als er in der «NZZ am Sonntag» klagte, wie schwierig die Suche nach einem neuen Konzernchef sei. Der Druck auf die Bewerber sei riesig, aber auch der Lohndeckel von einer Million Franken sei «ein Thema» …

Unerlaubte Gewinnmaximierung bei Postauto, jammern über zu viel Druck für zu wenige Millionen – und jetzt noch der Kaderausflug nach Südostasien – auf dieser Chefetage herrscht offenbar ein Missverständnis: Die Post ist einer unserer wichtigsten, am meisten mit Emotionen besetzten Staatsbetriebe des Landes: Sie soll zuverlässig ihre Dienstleistungen anbieten, sie soll den Service public sicherstellen, sie soll dabei sparsam mit unseren Steuergeldern umgehen. Aber sie soll sich nicht aufführen wie ein globalisierter Grosskonzern.

Im April tritt der neue Konzernchef Roberto Cirillo seinen Post-Posten an. Es täte ihm gut, mit dem Postauto nach Flüeli-Ranft zu fahren und sich und seine Kader als Erstes von Bruder Klaus inspirieren zu lassen. Denn der sagte einst: «Machet den Zaun nicht zu weit!» Was er damit meinte: Bleibt bescheiden!

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