Wer will, soll dürfen
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BlickPunkt über Lockerungen:Wer will, soll dürfen

BlickPunkt über die Corona-Lockerungen
Wer will, soll dürfen

Überleben ist nicht genug: Wir wollen unser Leben leben! Deshalb ist es bei aller Vorsicht wichtig, dass Fussballspiele, Konzerte und Kongresse wieder stattfinden können. Warten, bis Covid-19 besiegt ist, kann Jahre dauern!
Publiziert: 14.08.2020 um 23:21 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2020 um 21:54 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

Es dauert länger, als wir alle meinten. Viel länger: Als die Pandemie ausbrach, schoben die Veranstalter ihre Gross-Events vom Frühling in den Spätsommer – nun müssen sie erneut reihenweise Absagen verschicken. Der bekannte Epidemiologie Marcel Salathé sagte noch Ende Februar: «Meiner geplanten Italienreise im April sehe ich relaxed entgegen.» Und ich schrieb damals: «Spätestens in ein paar Monaten wird die Covid-19-Epidemie weitgehend an uns vorübergezogen sein, wie auch jede Grippesaison einmal ihr Ende hat.»

Was für ein Irrtum!

Heute wissen wir: Solange kein Impfstoff zur Verfügung steht, wird das Virus nicht verschwinden. Und bis tatsächlich ein Grossteil der Bevölkerung geimpft ist, kann es Monate, wenn nicht Jahre dauern.

Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe.
Foto: Shane Wilkinson

Nicht wenige Menschen scheinen sich an diesen Schwebezustand gewöhnt zu haben. Sie finden Homeoffice gemütlich, freuen sich über die durch abgesagte Termine gewonnene Freizeit und hätten am liebsten einen Lockdown, bis alles vorbei ist. Ein BLICK-Leser schrieb: «Massenveranstaltungen? Bis Frühling 2022 absagen. Null Zuschauer. Und zwar konsequent!»

Aber wollen die Schweizerinnen und Schweizer wirklich Monate oder gar Jahre auf ein Leben ohne Einschränkungen warten, auch wenn das aus epidemiologischer Sicht ratsam wäre?

«Der Mensch braucht Brot und Spiele», schrieb Felix Bingesser diese Woche – und der BLICK-Sport-Chef hat recht: Was nützen der hermetischste Schutz, die rigoroseste Abschottung, die perfekteste Hygiene, wenn die Menschen in ihren Wohnungen vereinsamen, wenn reihenweise Sportklubs, Künstler, Eventveranstalter pleitegehen, wenn nur wenige an Covid-19 erkranken, aber dafür viele zum Sozialfall werden? Allein der Sport leistet einen jährlichen Beitrag zur Wertschöpfung von 11 Milliarden Franken.

Keine Gesellschaft erträgt auf Dauer extreme Einschränkungen. Deshalb ist die Strategie des Bundesrats richtig: Öffnen, so schnell wie möglich, aber so vorsichtig wie nötig!

Es ist gut, dass ab Oktober Grossveranstaltungen wieder möglich sein sollen. Es gibt genügend griffige Schutzmassnahmen: Abstand halten, automatisches Fiebermessen, Tickets mit Adresse und Handynummer, Verzicht auf Pausenprogramme etc. Wir müssen mit dem Risiko leben lernen.

Unter diesen Bedingungen lassen sich grosse Veranstaltungen nämlich gut verantworten. Wer sich noch unwohl fühlt, der braucht nicht hinzugehen. Aber wer will, der soll auch wieder dürfen. Sollten die Fallzahlen – was niemand hofft! – wieder massiv ansteigen, braucht es temporär eben wieder mehr Einschränkungen.

Zwei grosse Prinzipien haben unser Land stark gemacht: Solidarität in Eigenverantwortung und höchstmögliche persönliche Freiheit. Auf diese typischen Schweizer Tugenden können und sollten wir auch bei der Bewältigung der Corona-Krise setzen!

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