Blickpunkt
Lasst euch nicht verrückt machen!

Bundesrätin Simonetta Sommaruga ruft im Kampf gegen Terror alle auf, Verdächtige zu melden. Was ist davon zu halten? Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe, schreibt in seinem Kommentar: «Nutzen wir den Vorteil, dass die soziale Kontrolle in der Schweiz spielt!»
Publiziert: 25.03.2017 um 00:38 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:53 Uhr
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Christian Dorer

Zwei Tage nach dem Terroranschlag herrscht in London schon wieder Normalität, die Menschen leben ihren Alltag – nicht aus Gefühllosigkeit, sondern weil das die stärkste Botschaft ist, die man an Terroristen senden kann. Die Angreifer zielen genau aufs Gegenteil: Sie wollen unsere Gesellschaft erschüttern, unsere Werte verspotten, unsere Freiheit beschneiden.

Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat recht, wenn sie im BLICK sagt: «Terrorismus ist die grösste Gefahr für die Schweiz. Ein Anschlag wie in London kann auch uns treffen.» Dennoch dürfen wir uns nicht an solch sinnlose Bluttaten gewöhnen, sie gar als gottgegeben betrachten. Zwar müssen wir mit dem Risiko leben – uns davon verrückt machen lassen, das sollten wir nicht!

Auch wenn der Grat zwischen Überwachung und Sicherheit schmal ist, auch wenn Privatsphäre und Datenschutz wichtige Werte sind: Es darf nicht sein, dass sich Attentäter dahinter verstecken können. Im Kampf gegen den Terror haben die Schweizer Behörden deshalb neue Kompetenzen erhalten. Vergangenes Jahr nahmen die Stimmbürger das revidierte Nachrichtendienstgesetz beinahe mit Zweidrittelmehrheit an.

Die Justizministerin geht jetzt sogar noch weiter und fordert alle Menschen im Land auf: Meldet Verdächtige! Wenn jemand sein gewohntes Verhalten ändert, radikaler wird, sich abzuschotten beginnt ... Die Behörden seien auf Mitwirkung aufmerksamer Lehrpersonen, Eltern, Freunde und Bekannter angewiesen.

Sommarugas Aufruf macht nachdenklich: Wird die Schweiz nicht wieder zum Spitzelstaat, wenn jeder jeden beobachten soll? Doch das Gegenteil ist wahr. Eine gewisse soziale Kontrolle schweisst die Gesellschaft zusammen, ähnlich wie früher in den Dörfern. Da spürte jeder, wenn einer Sorgen hatte, sich verschloss und etwa in den Alkohol abdriftete.

Heute sind die Gefahren andere – und sie sind grösser. Doch die Schweiz hat noch immer einen grossen Vorteil: Wir haben keine Banlieues, keine Ghettos wie in Paris, Brüssel oder London. Es gibt keine Quartiere, in die kein Einheimischer mehr Einblick hat. Da fällt es auf, wenn plötzlich jemand radikal wird.

Nutzen wir diesen Vorteil!

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