BLICKpunkt
Gute Nacht, Schweiz

Ein Schweizer Spion wird in Deutschland verhaftet. Das ist peinlich für den Geheimdienst. Vor allem aber stellt sich die Frage: Warum kümmert sich dieser um das längst abgeschaffte Bankgeheimnis statt um Terrorabwehr? Ein Kommentar.
Publiziert: 05.05.2017 um 23:57 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 21:07 Uhr
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Christian Dorer

Wo einst der Wetter-Millionär Jörg Kachelmann (58) eine Zwei-Mann-Zelle bewohnte, sitzt heute ein anderer Schweizer, der 54-jährige Spion Daniel M.: im Gefängnis von Mannheim (D).

Der neue Untersuchungshäftling, so viel steht fest, arbeitete im Auftrag des Schweizer Geheimdienstes, des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB). Seine Mission: Steuerfahnder auszuspähen, die seit 2010 für Millionenbeträge Daten-CDs mit gestohlenen Kontodetails deutscher Steuersünder und deren Schweizer Banken ankaufen. Laut Haftbefehl gab der NDB dem Spion M. 90'000 Euro dafür, einen Maulwurf in der Finanzverwaltung Düsseldorf zu installieren.

Wie würden wir reagieren, wenn ein deutscher Spion in der Schweiz auffliegt? Dass jetzt im Nachbarland Empörung herrscht, versteht wohl jeder. Die Schweizer Botschafterin wurde ins Berliner Aussenministerium zitiert, SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz spricht von einem «skandalösen Vorgang», andere Politiker wählten noch harschere Worte.

Vieles an der Spionageaffäre liegt im Dunkeln, eines aber steht fest: für den Schweizer Geheimdienst ist sie oberpeinlich. Vor allem, weil Agenten nicht dazu da sind, erwischt zu werden. NDB-Chef Markus Seiler umschrieb das Jobprofil kürzlich so: «Die Kunst besteht darin, die richtige Person auszusuchen. Ein guter Quellenführer sollte das Gegenteil von James Bond sein: komplett unauffällig. Er soll sich auch im Ausland wie ein Fisch im Wasser bewegen können.» Dummerweise zappelt der Fisch jetzt an der Angel.

Noch schwerer wiegt die Frage, was der NDB da eigentlich treibt. Erst 2016 verlangten die Schweizer Agenten ein Nachrichtendienstgesetz, das ihnen deutlich mehr Kompetenzen einräumt: Weil sie nur so effektiv gegen Terroristen vorgehen könnten, weil sie nur so imstande seien, Dschihadisten in der Schweiz zu überwachen, Gefährder frühzeitig zu erkennen, deren Anschlagspläne zu durchkreuzen. Zwei Drittel des Stimmvolks sagten Ja zum Gesetz. Die Schweizer Bürger haben dem Geheimdienst damit das Vertrauen ausgesprochen. Und klargemacht, dass ihnen der Kampf gegen den Terrorismus wichtig genug ist, um Einschränkungen ihrer persönlichen Freiheit in Kauf zu nehmen.

Nun aber müssen dieselben Bürger verblüfft feststellen, dass derselbe Geheimdienst irgendwelche deutsche Steuerbeamten jagt, als sei die Schlacht ums Bankgeheimnis nicht längst geschlagen. Seit sich der Bundesrat zum automatischen Informationsaustausch bekannt hat, ist das Geschäft mit ausländischen Steuersündern tot. Nicht einmal die Banken selbst wollen in die alten Zeiten zurück. Ihr Geschäftsmodell ist jetzt Zuverlässigkeit, Rechtssicherheit und Stabilität.

Beim Nachrichtendienst aber scheint diese Nachricht noch nicht angekommen zu sein. Dass sein verdeckter Einsatz offenbar selbst dem Bundesrat bekannt war, macht die Sache noch schlimmer. Jetzt ist Aufklärung gefragt. Und eine klare Ansage an den Geheimdienst, was er zu tun hat. Und was zu unterlassen.

Denn wenn Figuren wie der inhaftierte Daniel M. die Schweiz vor Gefahren schützen sollen ... dann gute Nacht!

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