Einbürgerungsverfahren
Der Schweiz nicht würdig

Die Behörden entscheiden teils völlig willkürlich, wer den Schweizer Pass erhält. Damit muss Schluss sein – für eine Einbürgerung braucht es objektive Kriterien.
Publiziert: 07.01.2023 um 21:58 Uhr
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Aktualisiert: 08.01.2023 um 17:18 Uhr
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Camilla AlaborRedaktorin

Mit wem lebt der Bär in einer Wohngemeinschaft? Wie heissen die Beizen im Dorf? Wo entsorgen Sie Ihr Altöl? Und überhaupt: Würden Sie eine Schweizerin heiraten?

Das sind Fragen, die Einbürgerungswillige in der Schweiz beantworten müssen. Oder vielmehr: über sich ergehen lassen müssen. Denn allzu oft geht es der Einbürgerungsbehörde nicht darum, das Gegenüber kennenzulernen – sondern darum, Gründe zu suchen, warum ihr Gegenüber eben doch kein «richtiger» Schweizer ist. Und so gleicht das Gespräch mancherorts einem Verhör: Die Einbürgerungswilligen müssen dauernd fürchten, dass ihnen eine Antwort zu ihrem Nachteil ausgelegt wird. Mehr noch: Sie müssen beweisen, dass sie bessere Schweizer sind als die Schweizer selbst. Idealerweise sind sie Mitglied in einem, besser zwei örtlichen Vereinen, besuchen alljährlich die lokale Chilbi und haben ausschliesslich Schweizer Freunde, die allesamt im Dorf wohnen.

Das Absurde ist natürlich: Die Mehrheit der Schweizer lebt nicht so. Ist kein Vereinsmitglied, hat (auch) Freunde mit Migrationshintergrund, arbeitet in der Stadt. Das hindert die – oftmals älteren – Mitglieder der Einbürgerungsbehörden in den Gemeinden nicht daran, ihr eigenes Leben als Massstab dafür zu nehmen, wie sich «richtige» Schweizer zu verhalten haben. Das Resultat sind absurde, willkürliche Entscheide: Personen wird das Bürgerrecht verweigert, weil sie nicht alle Restaurants im Dorf aufzählen können. Oder weil sie sich erfrechen, einen Job ausserhalb des Kantons zu suchen.

In kleinen, konservativen Gemeinden müssen Einbürgerungswillige teils Fragen beantworten, die mit ihrer Integration nichts zu tun haben.
Foto: Keystone

Anders als manche Politiker glauben mögen, handelt es sich dabei nicht um Einzelfälle. Gerade in kleinen, konservativen Gemeinden wird Einbürgerungswilligen der Schweizer Pass teils reihenweise verweigert. Selbst wenn sie gute Chancen auf einen Rekurs hätten, verzichten viele von ihnen darauf. Denn was bei ihnen ankommt, ist die Botschaft: Man will mich hier nicht.

Das ist umso tragischer, als es sich bei vielen von ihnen um eigentliche Schweizerinnen handelt – Personen, die hier geboren und aufgewachsen sind. Statt sie zu ermutigen, mitzumachen und sich demokratisch zu beteiligen, knallt man ihnen die Türe vor der Nase zu.

Ausgerechnet dort, wo es um den Zugang zu unserer Demokratie geht, herrscht Willkür vor. Das ist einem Rechtsstaat nicht würdig. Die heutigen Verfahren, in denen die Behördenmitglieder einem Einbürgerungswilligen den Pass nach ihrem eigenen Gusto verweigern können, gehören abgeschafft.

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