Editorial von SonntagsBlick-Chefredaktor Gieri Cavelty
Unser täglich Gift gebt uns heute

Solange der Bund seine Medienmitteilungen von der chemischen Industrie schreiben lässt, braucht es uns nicht zu verwundern, wenn das Trinkwasser nicht dem Lebensmittelrecht entspricht.
Publiziert: 14.09.2019 um 23:33 Uhr
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Aktualisiert: 15.09.2019 um 21:43 Uhr
Giery Cavelty, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Paul Seewer
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Gieri CaveltyKolumnist SonntagsBlick

Wenn die Chemie ­zwischen Behörden, Industrie und Landwirtschaft allzu sehr stimmt, dann ergibt das einen gefähr­lichen Cocktail.

In Basel etwa enthält dieser Cocktail Methansulfonanilid, Hexachlorbutadien, polychlorierte Biphenyle – alles Gifte aus der chemischen Industrie, die unter anderem bei der Produktion von Pestiziden entstanden sind und im Grundwasser nachgewiesen wurden. Bis in die späten 1960er-Jahre hatten die Basler Chemiekonzerne ihre Abfälle mir nichts, dir nichts in die Kiesgruben der Region gekippt. Nur ein Bruchteil dieser Standorte wurde saniert. Die Behörden machten die Augen zu und ­vertrauten darauf, dass sich das Problem von allein löst.

Doch das ist nicht passiert. In einem Bericht des Bundesamtes für Umwelt wird jetzt sichtbar, wie fahrlässig mit unserem Grund- und Trinkwasser umgegangen wurde – und immer noch umgegangen wird. Im zurückhaltenden Beamtendeutsch lautet das Fazit der Untersuchung: «An zahlreichen Messstellen sind Verunreinigungen des Grundwassers festzustellen.» Das ­Wasserschloss Schweiz entpuppt sich als Chemiefabrik.

Im Papier des Bundesamtes für Umwelt ist viel von «Altlasten» die Rede. «Altlasten» ist zwar kein sonderlich schönes, gleichwohl ein beruhigendes Wort. Wer es hört, wird zum Schluss verleitet: Die Altlasten selbst mögen ja noch da sein – doch das System, das sie verursacht hat, ist längst überwunden.

Weit gefehlt! Es steht zu befürchten, dass sich die Behörden nach wie vor in erster Linie den Interessen von Industrie und Landwirtschaft verpflichtet fühlen, nicht unserer Gesundheit und der Umwelt. Die Chemie zwischen den Akteuren in Staat und Wirtschaft stimmt leider weiterhin hervorragend.

Kleines Beispiel gefällig? Das Bundesamt für Landwirtschaft und das Bundesamt für Zivilluftfahrt publizierten Ende Juli gemeinsam folgende Meldung: Als erstes Land in Europa bewillige die Schweiz Drohnen zum Versprühen von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft. Das neue Verfahren ermöglicht laut Behörden einen «sicheren und umweltschonenden Pflanzenschutz».

Es ist schon irritierend genug, dass man beim Bund von «Pflanzenschutzmitteln» spricht, wenn es um Pestizide geht. Denn das sind natürlich keine harmlosen Mittelchen. Schon vor sieben Jahren hat der französische Staat Parkinson als Berufskrankheit von Bauern anerkannt, die durch Pestizide verursacht wird.

Tatsächlich offenbart die Verwaltung in ihrem Communiqué vom Juli eine erschreckende Nähe zur chemischen Industrie. Vor zwei Jahren nämlich wurde die «erste Sprühdrohne Europas» schon einmal in einer Medienmitteilung über den grünen Klee gelobt. Das Fluggerät befand sich damals noch in der Testphase. Der Wortlaut der Medienmitteilung von 2017 entspricht aber über weite Strecken jenem von 2019.

Publiziert hat diese erste ­Medienmitteilung allerdings nicht der Bund. Verfasst und verschickt hat sie der Basler Pestizidhersteller Syngenta.

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