Zur Sache! Neue Non-Fiction-Bücher
Die Erde hat Fieber, und der Mensch steckt sich an

Sowohl was Höhenmeter anbelangt als auch Grad Celsius: Es ist ein schmaler Grat, auf dem Menschen leben können. Umso wichtiger ist es, die Erderhitzung einzudämmen, wie dieses Buch zeigt.
Publiziert: 30.07.2023 um 09:00 Uhr
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Aktualisiert: 29.07.2023 um 11:14 Uhr
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Daniel ArnetRedaktor Gesellschaft / Magazin

Nun sind wir mitten in den Hundstagen, der heissesten Periode des Jahres. Sie dauert 2023 vom 23. Juli bis zum 23. August. Doch schon zuvor heizte das Höllenhundehoch Cerberus, benannt nach dem mehrköpfigen Kläffer aus der griechischen Mythologie, dem Mittelmeerraum mächtig ein: Tagestemperaturen bis zu 45 Grad Celsius im Schatten machten das Leben von Spanien bis Griechenland zu einer Tortur – manche wähnten sich beim Flammenfluss Pyriphlegethon am Eingang zum Reich der Toten, wo Cerberus wacht.

«Tödliche Hitze» heisst ein kürzlich erschienenes Buch des Deutschen Hanns-Christian Gunga (68), emeritierter Professor für Weltraummedizin und extreme Umwelten an der Berliner Charité. Entsprechend seinem breit angelegten Forschungsgebiet führt uns Gunga kenntnisreich vom Kleinen zum Grossen: Er zeigt, was Hitze im Körper bewirkt, erläutert den Einfluss auf die Volksgesundheit, richtet seinen Blick auf Städte und die Erderwärmung, um schliesslich in den Kosmos abzuheben.

«Hitze ist tödlich – warum eigentlich?» Gunga stellt viele einfache Fragen, die sich die Leserschaft auch stellen könnte, um sie zuweilen mit komplizierten medizinischen Fachbegriffen zu beantworten. Abgesehen davon ist die Lektüre aber sehr lehrreich und hat auch einen praktischen Nutzen. So rät der Hochschullehrer zum Beispiel bei einer Hitzewelle: «Kinder sollten am besten morgens und abends gewogen werden, um eventuelle Flüssigkeitsverluste zu ermitteln.»

Höllenhundehitze: Das Hoch Cerberus bescherte auch der Akropolis in Athen Rekordtemperaturen.
Foto: Getty Images

Menschen gehören wie Vögel und Säugetiere zu den sogenannten endothermen Organismen. «Diese Organismen sind in der Lage, weitgehend unabhängig von der Umgebungstemperatur und ihrer körperlichen Aktivität ihre Körpertemperatur im Körperkern relativ konstant zwischen 35 und 37,5 Grad Celsius zu halten», schreibt Gunga. Ein genialer Mechanismus der Natur, um der Überhitzung entgegenzuwirken, ist das Schwitzen des Menschen: Die Schweisstropfen auf der Haut verdunsten und kühlen so.

«Wird die normale Körpertemperatur lediglich um etwa 6 Grad Celsius über- oder unterschritten, besteht für den Organismus zunehmende Lebensgefahr», so Gunga. Nach bisherigen Erkenntnissen sei es nur ein winziges «Temperaturfenster», das höheres Leben ermöglicht. «Dies ist erstaunlich, wenn man bedenkt, wie gross die gesamte Temperaturskala im Universum ist, die Millionen Grad Celsius betragen kann», schreibt der Weltraummediziner weiter.

Schmal ist auch der Bereich, in dem höhere Organismen auf der Erde leben – zwischen 200 Meter unter dem Meeresspiegel und 800 Meter darüber. Und was sagt Gunga zu weiter oben – schliesslich hat er als Wissenschaftler an einigen Raumfahrtmissionen zur ISS teilgenommen: «Eine ‹zweite Erde›? Weit und breit nicht in Sicht.» Wir müssten stattdessen lernen, das, was die Evolution auf der Erde hervorgebracht habe, zu schätzen und zu schützen – sonst wird es hier schnell ungemütlich.

zVg
Hanns-Christian Gunga

«Tödliche Hitze – was extreme Temperaturen im Körper bewirken und wie wir uns schützen können», Quadriga

zVg

«Tödliche Hitze – was extreme Temperaturen im Körper bewirken und wie wir uns schützen können», Quadriga

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