Zur Sache! Neue Non-Fiction-Bücher
«Alles fährt Rad, alles fährt Rad»

Im Frühling schwingt sich wieder die ganze Nation aufs Velo. Diese bald 70-jährige Anleitung für Radfahrer bietet beste Tipps, wie man auch heute noch gut in die Gänge kommt.
Publiziert: 24.05.2021 um 14:50 Uhr
ausgelesen von Dr. phil. Daniel Arnet

In meiner Garage steht das alte Velo meines Vaters – ein englisches Raleigh aus schwerem Stahl in klassischem Dunkelgrün, mit Dreigang-Nabenschaltung, Bügelbremsen, Brooks-Sattel und Lenkerschloss. Und platten Pneus. Nun gut, ich hatte es schon länger nicht mehr in Gebrauch. Dabei habe ich beste Erinnerungen an die letzte Fahrt durch den Wald: Wenn das schwere Gefährt einmal in Schwung ist, dann fliegt und pflügt es mächtig und majestätisch wie ein Dampfschiff über die welligen Waldwege. Ein E-Bike ist nichts dagegen.

«Diese Handvoll Enthusiasten sind die Einzigen, die tatsächlich darüber Bescheid wissen, wie einfach und genussvoll das Radfahren sein kann», schreibt der Engländer Reginald C. Shaw im kürzlich erstmals auf Deutsch erschienenen Buch «Radfahren. Eine Anleitung für Anfänger und Fortgeschrittene». Das englische Original «Teach Yourself Cycling» ist noch knapp 25 Jahre älter als mein Raleigh und stammt aus dem Jahr 1953. Shaw gilt auf der Insel seither als «Vordenker in Sachen Radfahren und Verkehrssicherheit» (Vorwort) und fand Aufnahme in den königlichen Ritterorden – ein Ritter auf dem Rad, sozusagen.

Doch was taugt ein bald 70-jähriges Sachbuch? Erstaunlich viel, denn es wirkt anregend frisch. Das Balancehalten ist ja immer noch das A und O des Fahrradfahrens: Wer es einmal erlernt hat, verlernt es nie mehr. Zwar kamen in den letzten Jahrzehnten noch einige technische Neuerungen dazu – leichtere Alurahmen, automatische Schaltung, hydraulische Felgenbremse –, aber neuste Entwicklungen wie E-Bikes können richtige Radfahrer nicht ernst nehmen: Die gehören eher in die Kategorie Moped oder Velo-Solex, einfach mit Batterie statt mit Benzin betrieben.

Vom «Geheimnis der Mühelosigkeit» beim Treten über die «Souveränität im Strassenverkehr» bis zur «Wartung und Instandhaltung»: Shaw widmet jedem Aspekt rund ums Rad ein Kapitel. «Die bessere Tretmethode besteht darin, die gesamte Muskelkraft zu nutzen, also nicht nur die Oberschenkelmuskulatur, sondern auch die der unteren Beinhälfte und der Füsse», schreibt er, und mit Skizzen veranschaulicht er die richtige Haltung – eine Anleitung, von der heute noch jeder Velofahrer lernen kann. «Nachdem auch Sie nun eine Menge über das Radfahren gelernt haben», so Shaw, «werden Sie das Fahrrad als Fortbewegungsmittel mehr und mehr zu schätzen wissen.»

Ganz englischer Gentleman gibt er am Schluss Anweisungen zum höflichen Umgang auf der Strasse: «Verhalten Sie sich gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern immer so, wie Sie es von ihnen erwarten; seien Sie immer fair; tragen Sie zu einem harmonischen Miteinander bei.» Benimmregeln, die jeder beherzigen müsste, gerade heute, wo sich Fussgänger, Velo- und Autofahrer häufig gegenseitig beschimpfen und bespucken. Und ich gehe jetzt in die Garage und putze voller Enthusiasmus mein Raleigh heraus.

Reginald C. Shaw, «Radfahren. Eine Anleitung für Anfänger und Fortgeschrittene», HarperCollins

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