Zoologisch – Zoodirektor Severin Dressen über Nashörner
Platznot im Naturschutzgebiet

Der Zoo Zürich hat einen Naturschutzpartner in Kenia. Den Spitzmaulnashörnern dort geht es so gut, dass ein Teil der wachsenden Population nun umziehen muss.
Publiziert: 31.01.2024 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 27.01.2024 um 17:22 Uhr
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Severin DressenDirektor des Zoo Zürich

1984 war ein ereignisreiches Jahr: Steve Jobs launcht seinen Macintosh-Computer, im Ländle wird das Frauenwahlrecht eingeführt, Ronald Reagan in den USA wiedergewählt, der kanadische Premier Pierre Trudeau tritt zurück, und die Schweiz stimmt gegen die Volksinitiative «Zukunft ohne Atomkraftwerke». 

1984 hatte auch das lange Warten auf «Godot» ein Ende. Der Spitzmaulnashornbulle mit unkonventionellem Namen und guten 1000 Kilo Lebendgewicht tritt eine wichtige Reise an. Von Kitengela in der Nähe von Nairobi (Kenia) geht es Richtung Norden zum Lewa Wildlife Conservancy, einem Naturschutzpartner des Zoos Zürich. Es ist das erste Nashorn, das wieder in diese Region gebracht wird, nachdem die lokale Population ausgerottet worden war. Ein gewichtiger Schritt.

40 Jahre später hat sich in der Welt so viel nicht verändert: Bei Apple ist das iPhone 16 in Arbeit, in Liechtenstein sitzen gerade einmal 28 Prozent Frauen im Parlament, in den USA wird wieder gewählt, Kanada wird immer noch von einem Trudeau regiert und in der Schweiz weiterhin über Atomkraft gestritten. 

Ein Spitzmaulnashorn im Lewa Wildlife Conservancy in Nairobi.
Foto: Zoo Zürich, Martin Bauert
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Godots Ankunft in Lewa hat dafür deutlich mehr Spuren hinterlassen. Innerhalb von 40 Jahren hat sich die Nashornpopulation auf 260 Tiere hochgeschraubt. Fast nie fällt ein Nashorn in Lewa Wilderei zum Opfer. Das ist im Vergleich zu anderen afrikanischen Naturschutzgebieten eine echte Ausnahme. Der Erfolg dahinter beruht auf einer konsequenten, hochmodernen Bekämpfung der Wilderei.

Noch wichtiger jedoch sind die gross angelegten Informations- und Bildungskampagnen in der Region, um die Menschen vom Mehrwert der Nashörner zu überzeugen und sie stolz zu machen auf ihre urtümlichen Mitbewohner. Wer den Mehrwert erkennt und stolz ist, hat deutlich weniger Motivation, Geld in der Wilderei zu verdienen. Beide Ansätze werden massgeblich vom Zoo Zürich unterstützt. 

260 Nashörner sind eine tolle Erfolgsgeschichte, aber sie stellen Lewa auch vor grosse Herausforderungen. Viele Schutzgebiete sind heute nichts anderes als Zoos – eingezäunte Bereiche. Nur innerhalb des Zauns kann die Sicherheit der Tiere garantiert werden. Doch mit 260 Tieren ist der Raum in Lewa ausgeschöpft. Futter, vor allem aber Platz für die Territorien der Einzelgänger, wird knapp. Eine zu grosse Dichte schafft Stress und reduziert das Tierwohl. Die Nashörner müssen weiterziehen.

Weil sie das selbst nicht können, wird nun 40 Jahre nach Godots Ankunft erstmals eine Gruppe von ausgewählten Tieren nach Nordwesten in das Loisaba Conservancy, ein gut 100 Kilometer entferntes Schutzgebiet, umgesiedelt. Dort waren Nashörner ebenfalls vor rund 50 Jahren ausgerottet worden. Der Erfolg in Lewa macht es möglich. Es wird sich zeigen, welche Veränderungen die Nashornwelt in den kommenden 40 Jahren erwartet. Die Hoffnung auf eine positive Entwicklung jedenfalls lebt.

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