Zoologisch – Zoodirektor Severin Dressen erklärt
Klassenzimmer Zoo

Nicht nur im Schulzimmer, sondern auch im Zoo können Gross und Klein viel lernen. Laut Severin Dressen ist der grösste Bildungsauftrag eines Zoos, die Menschen für Natur und Tierwelt zu begeistern. Welche Rolle dabei Gefühle spielen, davon berichtet der Zoodirektor.
Publiziert: 27.08.2023 um 11:18 Uhr
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Severin DressenDirektor des Zoo Zürich

In den meisten Kantonen hat das neue Schuljahr begonnen. Schülerinnen und Schüler drücken die Schulbank, und ihre Köpfe rauchen nach Wochen der sommerlichen Erholung wieder. Der Schweizer Bildungsapparat brummt und läuft auf Hochtouren.

Auch moderne Zoos wie der Zoo Zürich sind wichtige Bildungsinstitutionen. Doch was bedeutet das genau? Denn der Vergleich zur Bildungseinrichtung «Schule» ist nur bedingt möglich. Schule ist Pflicht, auch wenn sie im Idealfall Spass macht. Schule bietet Lernunterstützung durch ausgebildete Fachpersonen, und Schule findet an einem vergleichsweise reizarmen Ort statt – dem Klassenzimmer.

Der Zoo ist in jeglicher Hinsicht das Gegenteil: Für die meisten unserer Gäste ist der Besuch nicht Pflicht, sondern Teil der Freizeitgestaltung. Zwar bieten auch wir unsere eigene Form der Lernunterstützung an, in Form von Führungen, Präsentationen und Infotischen, die meisten Gäste aber verbringen ihre Zeit im Zoo eigenständig. Zudem kann ein Zoo vieles sein, aber sicherlich nicht ein reizarmes Umfeld.

Der Zoo als Klassenzimmer.
Foto: Enzo Franchini

Diese Faktoren, die uns von einer «normalen» Schule unterscheiden, sind Herausforderung und Chance zugleich bei der Erfüllung unseres Bildungsauftrags. Die Chance liegt in der reizvollen Umgebung, die Emotionen in uns weckt. Wir Menschen schützen das, was wir kennen. Wir bauen eine positive und emotionale Bindung auf zu dem, was uns nahe ist. Das ist der Grund, weswegen wir uns unseren Familien und Freunden näher fühlen als Menschen, denen wir noch nie begegnet sind.

Wir sind eher bereit, uns für den Schutz unserer Familien und Freunde einzusetzen. Gleiches gilt für unser heiss geliebtes Haustier oder – im Fall von Zoos – für ganze Arten bedrohter Wildtiere.

Wir versuchen, Menschen für die Natur und die Tierwelt zu begeistern. Wir versuchen, unseren Gästen die Schönheit, die Einzigartigkeit und die Verletzlichkeit unserer Arten näherzubringen. Ob ein tauchender Elefant, ein durch die Baumwipfel des Masoala-Regenwalds springender Lemur oder ein grellbunter Frosch in unserem Exotarium. So unterschiedlich wir Menschen sind, so unterschiedlich ist das, was uns begeistert.

Aber nur wenn wir uns für etwas begeistern, nur wenn wir diese positive, emotionale Bindung zu etwas aufgebaut haben, sind wir bereit, dies auch zu schützen und unser eigenes Handeln diesbezüglich anzupassen.

Genau darin liegt die grosse Herausforderung: Wenn wir unseren Bildungsauftrag erfüllen wollen, müssen wir es schaffen, Emotionen zu wecken, aber auch Inhalte zu vermitteln – ganz ohne die Lehrperson im Klassenzimmer. Wenn das gelingt, so zeigen es Studien aus unterschiedlichen Zoos, haben wir ein grosses Potenzial, die Menschen zum Natur- und Artenschutz zu bewegen.

Wir im Zoo Zürich werden uns künftig auf zwei konkrete Botschaften konzentrieren: Wie jede und jeder von uns durch die eignen Essgewohnheiten etwas zum Naturschutz beitragen kann und wie man durch die Gestaltung der eigenen Wohnung/des eigenen Hauses etwas für den Erhalt der Biodiversität tun kann.

Zwei simple, klare Botschaften. Viel weniger Inhalt, als man in einem Schuljahr lernt. Aber wenn es uns gelingt, mit unseren Botschaften die grosse Mehrheit unserer Gäste zu erreichen, dann haben wir schon sehr viel erreicht.

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