Hier treffen mehrere populäre Irrtümer aufeinander. Der harmloseste besteht in der Erwartung, dass der Mensch aus der Geschichte lerne. Hätte er diese Fähigkeit, würden nirgendwo mehr skrupellose Lügner an die Macht kommen, weil längst bekannt ist, dass solche Leute nicht das Wohl des Volkes im Sinn haben, sondern nur ihr eigenes. Dennoch wird ihnen immer wieder Vertrauen geschenkt. Dabei ist der Mensch nicht dumm. Er ist lediglich nicht in der Lage, den nötigen Abstand zu seinen Emotionen einzunehmen. Sie kontrollieren ihn praktisch komplett und sind somit seine direkteste Realität. Dagegen hat etwas Abstraktes wie «die Geschichte» keine Chance. Was uns zum nächsten Punkt bringt.
Es trifft zu, dass Israel Gebiete besetzt hält, deren Bevölkerung dadurch unterdrückt wird. Und man könnte in der Tat denken, dass ein Volk, das selber so viel Unterdrückung erlebt hat, alles unternimmt, um andere davon zu verschonen. Aber so funktioniert das erstens nicht, siehe oben, und zweitens gründet Israels übertriebene Wehrhaftigkeit nicht in faschistischem Wahn, sondern in einer tatsächlichen Bedrohungslage. Es ist aber so oder so kein Holocaust, den Israel betreibt; es gibt keine Deportationen, keine Massenerschiessungen, keine Vernichtungslager und auch sonst nichts, was einen Vergleich zulässt, am allerwenigsten die Opferzahl.
Israels Methoden sind oft fragwürdig, aber Nazimethoden sind es nicht. Vor allem aber muss zwingend zwischen dem Staat Israel und «den Juden» unterschieden werden, von denen die Mehrzahl anderswo lebt und nichts mit der israelischen Politik zu tun hat. Wer dennoch alles bar jeder Sachlichkeit in denselben Topf wirft, sollte sich fragen, welches Ressentiment ihn dazu verleitet. Und warum er sich genau dieses Thema für seine Empörung ausgesucht hat.