Thomas Meyer rät
Soll ich mich für meine Frau verändern?

Meine Frau ist seit Jahren sehr unzufrieden mit mir als Partner. Sie macht mir ständig Vorwürfe. Manche scheinen mir jedoch durchaus berechtigt. Lohnt es sich, daran zu arbeiten?
Publiziert: 04.09.2021 um 14:45 Uhr
Thomas Meyer

Nein. Es mag zwar sein, dass Ihre Frau mit dem einen oder anderen Punkt etwas anspricht, bei dem Sie sich tatsächlich mehr Mühe geben könnten, aber erstens haben Sie das bestimmt bereits versucht, und zweitens würde es Ihr Grundproblem nicht lösen: So, wie Sie sind, passen Sie Ihrer Frau nicht.

Doch anstatt sich das einzugestehen und sich von Ihnen zu trennen, schiebt sie Ihnen die Verantwortung zu, indem sie es so darstellt, als sei Ihr Naturell der Grund für die Missstimmung zwischen Ihnen. Sie wiederum nehmen das nicht als Wahrnehmung entgegen, sondern als Wahrheit: «Ich genüge nicht. Ich muss anders sein, damit man mich lieben kann. Darum ist es klug, bleibe ich bei einer Frau, die mich zwar nicht liebt, mir aber genau erklärt, inwiefern ich mich verändern muss.»

Natürlich ist das überhaupt nicht klug, sondern hochgradig toxisch. Ihre Frau nimmt damit die Rolle einer perfektionistischen Mutter ein und Sie jene des unselbständigen Teenager-Sohnes. Mit einer Partnerschaft, die diesen Namen verdient, hat das nichts zu tun. Während Ihre Frau sich also fragen muss, warum sie mit einem Mann zusammenbleibt, den sie letztlich verachtet, müssen Sie sich fragen, warum Sie glauben, es sei ein Zeichen der Liebe, wenn man Sie misshandelt.

Die Antworten werden in Ihrer jeweiligen Kindheit liegen und können später geborgen werden – vorerst geht es nur darum, eine Lebenssituation zu beenden, in der Sie pausenlos kleingemacht werden. Sie sind völlig in Ordnung, wie Sie sind; Sie passen einfach nicht zu dieser Frau, und auch wenn es sehr populär ist, seinen Partner verändern zu wollen – geklappt hat das noch nie. Niemand kann seinen Charakter ablegen. Aber jeder kann eine inkompatible Beziehung auflösen. Das sollten Sie möglichst bald tun. Ihrem und dem Seelenheil Ihrer Frau zuliebe.

Thomas Meyer ist Schriftsteller und schreibt jede Woche im SonntagsBlick Magazin.
Foto: Siggi Bucher
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