Sie fragen, ETH-Präsident Joël Mesot antwortet
Welchen Beitrag leistet die Wärmepumpe heute?

Joël Mesot, Martin Vetterli und Michael Hengartner sind so etwas wie die obersten Wissenschaftler der Schweiz. In ihrer Rubrik stellen sie sich den Fragen der Leserinnen und Leser rund um die Wissenschaft.
Publiziert: 16.11.2022 um 07:57 Uhr
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Aktualisiert: 16.11.2022 um 08:14 Uhr
Joël Mesot

Peter Tobler: Die ETH hatte ab 1942 eine grosse Wärmepumpe am Zürcher Walcheplatz, die der Limmat Wärme für die ETH entzog. Das war damals eine Pionierleistung! Wie wurde das weiterentwickelt und welchen Beitrag leistet die Anlage heute?

Joël Mesot: Dies ist eine Frage zu einem faszinierenden Stück ETH- und Technik-Geschichte – mit aktuellem Bezug. In Krisen zeigt sich nämlich, wie abhängig die Schweiz von Brennstoffimporten ist. Das ist heute so, und das war auch schon vor und während des Zweiten Weltkriegs der Fall, als die Versorgung mit fossilen Brennstoffen knapp wurde. Gleichzeitig haben in der Zwischenkriegszeit Schweizer Firmen wie Brown Boveri, Sulzer und Escher Wyss enorme Fortschritte bei der Entwicklung von Wärmekraftmaschinen gemacht. So kam es, dass die Schweiz zu einer Pionierin im Gebiet der Wärmepumpen wurde.

Bereits 1938 installierte man im Zürcher Rathaus eine 100-kW-Wärmepumpe, um die unter dem Haus durchfliessende Limmat als Wärme- und Kühlquelle zu nutzen. Revolutionär war 1941 der Einsatz einer Wärmepumpe zum Heizen des neu erbauten Hallenbads City in Zürich. Positive Erfahrungen und die weiter unsichere Versorgungslage mit Brennstoffen motivierten dann den Bau eines dritten Wärmepumpensystems in Zürich: Die von Ihnen erwähnte Anlage an der Walche, vis-à-vis des Hauptbahnhofs.

«Die Schweiz war eine Pionierin im Gebiet der Wärmepumpen», sagt ETH-Präsident Joël Mesot. Hier im Bild: Die Wärmepumpe des SIG Areals in Neuhausen am Rheinfall SH.
Foto: Keystone

In der 1942 erstellten Kaverne standen zunächst drei Wärmepumpen mit einer Gesamtleistung von knapp 6 MW. Über ein Fernwärmenetz wurde das Hochschulquartier mit rund 70° C warmem Wasser versorgt. Die Anlage wurde 1972 stillgelegt, da der Unterhalt nicht mehr wirtschaftlich war. Der Betrieb wurde aber 1988 mit zwei komplett neuen Wärmepumpen wieder aufgenommen, um umweltschonend die ETH-Gebäude im Zentrum, die kantonale Verwaltung im Walche-Quartier sowie private Kunden zu versorgen. Diese Anlage blieb bis 2017 in Betrieb.

Das Ende kam aus verschiedenen Gründen. Der unmittelbare Auslöser war, dass zum besseren Gewässerschutz der Kühlmittelkreis durch einen Zwischenkreis von der Limmat hätte isoliert werden müssen, für teures Geld. Auch haben sich die Zeiten geändert. So hat sich der Wärmebedarf der ETH-Gebäude über die Zeit reduziert, während die Kühlung der Liegenschaften immer wichtiger wurde. Denken Sie an die IT-Infrastruktur, die permanent gekühlt werden muss. Und während man die Raumtemperatur vorübergehend um ein paar Grad herunterschrauben kann, hat ein Ausfall der Kühlung in Serverräumen schwerwiegende Folgen.

Eine wegweisende Lösung für das Heizen und Kühlen ihrer Gebäude hat die ETH auf dem Campus Hönggerberg realisiert. Seit 2013 betreiben wir dort einen dynamischen Erdspeicher, mit dem wir jedes Jahr rund 5000 Tonnen CO2 einsparen. Um auf die heisser werdenden Sommer reagieren zu können, haben wir zudem mit dem Aufbau eines hocheffizienten Kältenetzes begonnen. Wir nutzen auch hier den eigenen Campus als eine Art Reallabor für neue technische Lösungen. Unter anderem streben wir eine erneuerbare Kälteerzeugung mit Wasser aus den Tiefen des Zürichsees an. Dazu soll eine Seewasserleitung zum Hochschulgebiet errichtet werden, und die Rückführung des Seewassers würde dann wieder über die Walche-Kaverne passieren – womit diese Infrastruktur auch in Zukunft ihre Wichtigkeit behalten wird.

Mit bestem Dank an Wolfgang Seifert, Energiebeauftragter der ETH Zürich, für seinen wertvollen Input.

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