Professor Mesot erklärt
Eine kleine Anleitung zum Dialog

Joël Mesot ist Präsident der ETH. Der erste Romand in diesem Amt seit über 100 Jahren. In dieser Kolumne widmet er sich dem Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft.
Publiziert: 25.08.2021 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 17.11.2021 um 11:50 Uhr
Joël Mesot

Dank Wissenschaft und Technik leben wir länger, gesünder und bequemer als die Generationen vor uns. Technischer Fortschritt ist in demokratischen Staaten jedoch an gesellschaftlichen Konsens gekoppelt. Es ist schwer vorstellbar, dass sich in der Schweiz eine Technologie halten kann, die nicht mehrheitlich akzeptiert und für gut befunden wird. Zum Konsens gelangt man über Debatten und Dialog. Die Schweiz ist mit ihrer politischen Kultur des ständigen Aushandelns von Positionen eigentlich dialogerfahren. Trotzdem scheint uns die Pandemie etwas aus dem Tritt gebracht zu haben. Gerade die Wissenschaft hat ein grosses Interesse daran, dass wir zu einer echten Dialogkultur zurückfinden.

Drei Voraussetzungen sollten erfüllt sein, damit ein echter Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zustande kommt. Erstens ist Dialog eine Begegnung auf Augenhöhe. Es geht nicht nur darum, den eigenen Standpunkt darzulegen, sondern dem Gegenüber auch zuzuhören. Einwegkommunikation im Sinne von «Jetzt erkläre ich dir mal, wie die Welt funktioniert» verträgt sich schlecht mit unserer Tradition der Mitsprache. Zweitens setzt Dialog gegenseitigen Respekt voraus; Respekt gegenüber der anderen Person, ihrer Meinung, aber auch gegenüber der Fachexpertise, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einbringen. Drittens basiert echter Dialog auf Fakten. Es gehört wohl zu den grössten Leistungen unserer Zivilisation, dass die Wissenschaft über Jahrhunderte hinweg Verfahren und Methoden entwickelt hat, die zu neuen Erkenntnissen führen und diese überprüfbar machen.

Einige dieser Erkenntnisse sind inzwischen zur Gewissheit geworden, andere sind noch Gegenstand wissenschaftlicher Debatten. Die Wissenschaft hat transparent zu deklarieren, was gesichertes Wissen ist und wo es noch Unsicherheiten gibt. Der Dialogpartner muss im Gegenzug auch akzeptieren, dass nicht alles verhandelbar ist – die Erde ist nun mal rund, ob uns das gefällt oder nicht.

Joël Mesot, Präsident der ETH.
Foto: Editing Lab

Doch welche Ziele verfolgen wir mit Dialog? Mindestens die beschriebenen Spielregeln sollten eingehalten werden, um Vertrauen aufzubauen. Ein zweites Ziel ist für mich dann erreicht, wenn beide Parteien im Gespräch voneinander lernen. Nur schon der Abbau von Vorurteilen und die Klärung von Missverständnissen sind Schritte in die richtige Richtung. Drittens ist es das legitime Ziel, den andern von den eigenen Argumenten zu überzeugen. Ich bin mir bewusst, dass nicht immer die wissenschaftlichen Argumente obsiegen. Wir definieren uns schliesslich auch über Werte, was zu Zielkonflikten führen kann. Fehlt dieses Bewusstsein, droht der Dialog zu scheitern.

Wir sollten den Dialog wie ein Fitnessprogramm immer wieder praktizieren. Eine nächste Möglichkeit bietet sich am 4./5. September in Zürich im Rahmen der Wissenschaftstage «Scientifica» von Universität und ETH Zürich. Unter dem Motto «Natürlich – Künstlich» bieten unsere Forschenden Einblick in ihre Arbeit. Vor allem aber freuen sie sich auf Diskussionen mit Ihnen an den verschiedenen Standorten der beiden Hochschulen. Coronabedingt brauchen Gäste ab 16 Jahren ein gültiges Covid-Zertifikat. Damit der Dialog im gegenseitigen Respekt stattfinden kann.

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