Präsident des ETH-Rats Michael Hengartner erklärt
Der Wald im Wandel

Michael Hengartner ist Präsident des ETH-Rats – und damit so etwas wie der Chef-Forscher der Schweiz. In seiner Kolumne erklärt er Wissenswertes aus der Wissenschaft.
Publiziert: 01.08.2020 um 12:17 Uhr
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Aktualisiert: 31.12.2020 um 14:33 Uhr
Michael Hengartner

Heute können wir die Sache eigentlich mal umdrehen: Vom Wald könnten sicher auch Sie mir eine Geschichte erzählen! Wie Sie für Ihren Jugendschatz ein Herz in eine Rinde geschnitzt haben. Welche Pfadi-Abenteuer Sie dort erlebt haben. Oder an welchem schönen Fleck Sie am liebsten grillieren. Ganz egal, ob wir im Wald joggen oder spazieren, Pilze sammeln oder Vögel beobachten, eines verbindet uns: Den Wald lieben wir alle. Jetzt im Sommer ganz besonders.

Dürre lässt Fichte verschwinden

Wälder bedecken rund ein Drittel unseres Landes. Insgesamt geht es ihnen gut. Zu diesem Schluss kommen die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und das Bundesamt für Umwelt, die den Zustand und die Entwicklung unserer Wälder seit vier Jahrzehnten verfolgen. Immer mehr zu schaffen macht den Wäldern aber der Klimawandel. Welche Schäden dieser bewirken kann, hat der Dürre-Sommer 2018 gezeigt. Damals sind allein im Hardwald bei Basel Tausende von Bäumen (über 20 Prozent des Bestands) gestorben und mussten gefällt werden. Dieser Wald ist nicht nur ein hübsches Erholungsgebiet, sondern auch wichtig für die Trinkwasserversorgung der Stadt.

Auch in diesem Jahr haben wir wieder deutlich zu wenig Niederschlag. Ganz besonders leiden darunter die Fichten. Sie machen eher flache Wurzeln und sind darum besonders anfällig für die Trockenheit. Fichten wird es im Schweizer Mittelland darum bereits in absehbarer Zukunft nicht mehr geben. Aber auch die Buche, die lange als besonders robust galt, kommt unter Druck. Und sind die Bäume erst einmal geschwächt, geben ihnen Schädlinge, Pilze und Krankheiten den Rest.

Michael Hengartner (53) ist Präsident des ETH-Rats und Kolumnist im SonntagsBlick Magazin. Zuvor war der Biochemiker Rektor der Universität Zürich.
Foto: Nathalie Taiana

Langfristige Förster

Das Wort «Nachhaltigkeit» kommt aus dem Forstwesen. Försterinnen und Förster denken tatsächlich enorm langfristig. Ob sie gute Arbeit geleistet haben, sehen sie oft erst zehn oder zwanzig Jahre später. Deshalb müssen sie sich heute schon gut überlegen, welche Bäume sie pflanzen müssen, damit der Wald unter den zukünftigen Klimabedingungen gedeiht. Die WSL testet darum beispielsweise im trockenen Walliser Pfynwald, wie Föhren auf unterschiedlich viel Wasser reagieren. Und trockenheitserprobte Walliser Eichensorten werden künftig auch nördlich der Alpen wohl eine grössere Rolle spielen.

Die Anforderungen an den Wald der Zukunft sind hoch: Wetterextreme werden häufiger werden. Die Bäume müssen Trockenheit ertragen, aber auch Stürmen widerstehen können.

In den letzten Jahren sind unsere Wälder bunter geworden. Wir setzen nicht mehr auf reine Buchen- oder Tannenwälder, sondern auf einen Mix. Künftig werden wir Laubbäume in immer höheren Lagen antreffen. Und es wird auch neue Schädlinge geben, die wir im Auge behalten müssen. Der Wald wird auch in Zukunft Lawinenschutz, Lebensraum, Erholungsgebiet, Holzlieferant und der Ort sein, wo unsere Enkel Herzen in die Rinde schnitzen. Die Bäume für diesen Zukunftswald werden aber schon heute gepflanzt. Dank dem Wissen unserer Forst-Profis bin ich zuversichtlich, dass es die richtigen sein werden.

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