Der Luchs, eine Schweizer Erfolgsgeschichte
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Simon Jäggi «Wild im Herzen»:Hier spaziert ein Luchs durch den Berner Wald

Kolumne «Wild im Herzen»
Der Luchs, eine Schweizer Erfolgsgeschichte

Der Luchs ist die grösste Raubkatze in unseren Breitengraden. Unserem Kolumnisten ist im Berner Gantrischgebiet einer vor die Wildkamera gekommen. Elegant und majestätisch!
Publiziert: 30.07.2020 um 23:09 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2020 um 19:08 Uhr
Simon Jäggi

Gerne möchte ich Sie auf eine Reise mitnehmen. Sind Sie bereit? Schön, dann stellen Sie sich eine wunderschöne Waldlichtung im Berner Gantrischgebiet vor. Dort steht eine Hütte, auf rund 1300 Meter über Meer. Abends müssen Sie auch im Hochsommer eine Jacke anziehen, wenn Sie noch etwas draussen sitzen möchten. Sie blicken auf eine Moorwiese. Im Wald dahinter sieht es aus wie in einem Kinderzimmer am Mittwochnachmittag: eine herrliche Unordnung. Totholz, offene und zugewachsene Stellen, moosbewachsene Felsen.

Willkommen am Ort, an dem ich meine Ferien verbringe und diese Zeilen schreibe. Im Frühling war ich schon mal hier oben und habe im Wald eine Wildkamera montiert. Nun habe ich ihn endlich zu Gesicht bekommen, den König des Gantrisch, die grösste Raubkatze in unseren Breitengraden: den Luchs.

Nur zehn Sekunden lang ist er zu sehen, wie er einen Baumstamm überquert und durch sein Revier streift – aber er bewegt sich derart elegant und majestätisch, dass man sich vor Bewunderung verbeugen möchte.

Foto: Thomas Buchwalder

200 Luchse in der Schweiz

Der Luchs benötigt genau solch unterschiedlich strukturierte Lebensräume wie hier im Gantrischgebiet, um nach Rehen und Gämsen zu jagen – seiner Hauptbeute. Daneben macht er sich auch über Füchse und andere Kleinsäuger her. Dafür wandert der Einzelgänger oft kilometerweit durch sein Territorium, das durchschnittlich 250 Quadratkilometer (!) misst. Bei der Jagd helfen ihm seine eigentümlichen Ohrpinsel: Luchse hören eine Maus aus 50 und ein Reh aus 500 Metern Entfernung rascheln.

Die Wiederansiedlung des Luchses ist eine Schweizer Erfolgsstory – unser Land hat eine Pionierrolle bei der Rückkehr der Raubkatze in Europa gespielt. 1971 wurden die ersten Luchse aus den Karpaten ausgewildert. Inzwischen leben gut 200 Luchse in der Schweiz, mehr als in Deutschland und Frankreich zusammen. Die anfänglich hitzigen Diskussionen haben sich grösstenteils gelegt.

Ein Happy End? So weit ist es noch nicht. Der Luchs lebt in der Schweiz in zwei Populationen, im Jura und in den Alpen. Es gibt aber keinen genetischen Austausch. Und da die Populationen auf wenige Tiere aus den Karpaten zurückgehen, droht Inzucht. Zudem werden Luchse noch immer gewildert.

Simon Jäggi (40) ist Sänger der Rockband Kummerbuben, arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern und hält Hühner. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.

Das Video auf Blick.ch

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