Kolumne «Weltanschauung»
Flüchtlinge als Bäckereigehilfen

Es gibt kein besseres Integrationsprogramm für Flüchtlinge als ein Job. Berufsverbände und Kantone leisten hier vorbildliche Arbeit, die mehr mediale Beachtung verdient.
Publiziert: 22.12.2019 um 22:40 Uhr
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Aktualisiert: 26.12.2019 um 11:52 Uhr
Der Churer Bischofssprecher Giuseppe Gracia verlässt das Bistum nach zehn Jahren Medienarbeit per sofort.
Giuseppe GraciaKolumnist

Das Thema Flüchtlinge erscheint in den Medien oft negativ. Geschichten über gelungene Integration bleiben selten. Zum Beispiel die Geschichte des Berufs- und Weiterbildungszentrums Toggenburg (BWZT), das mit dem Ostschweizer Verband der Bäcker-Confiseure und dem Trägerverein Integrationsprojekte St. Gallen Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Menschen zum «Betriebshelfer Bäckerei-Konditorei-Confiserie» ausbildet und dabei Arbeitsplätze schafft. Es ist ein Lehrgang, der jährlich angeboten wird. Vier Tage in der Woche arbeiten die Teilnehmer in einer Bäckerei-Konditorei und besuchen am fünften Tag den Unterricht. Gelernt werden praktische Dinge wie eine Bewerbung schreiben, Zöpfeln, ein Rezept lesen und ausführen, Hygienemassnahmen oder Rechnen. Der Lehrgang wird mit einer Prüfung abgeschlossen.

Sprache ist der Schlüssel zur Integration

Seit 2015 haben bereits 44 Teilnehmende aus Serbien, Tibet, Eritrea, Äthiopien, Syrien, Afghanistan und Somalia den Abschluss geschafft. Knapp die Hälfte von ihnen arbeitet jetzt in einem Betrieb. Auch dieses Jahr haben im Dezember fünf Menschen den Lehrgang abgeschlossen. Ich durfte bei der Entgegennahme der Zertifikate dabei sein. Es hat mich berührt, wie sich die fünf Männer gefreut haben. Nicht nur über das Diplom, sondern auch für die Chance, sich in der Schweiz beruflich zu bewähren. Dazu Matthias Unseld, Rektor der BWZT: «Ich war überrascht, wie schnell und unkompliziert der erste Lehrgang zustande kam und wie motiviert und stolz die Flüchtlinge arbeiteten.» Und Fredi Gmür, der den Kurs mitverantwortet: «Der Schlüssel zu allem ist die Sprache. Integration gelingt nur mit guten Deutschkenntnissen. Dazu ist unser Lehrgang ein erster Schritt, aber es müssen weitere folgen.»

Die Arbeit geschieht jenseits der medialen Scheinwerfer

Bei allen Herausforderungen, die es auch nach so einem Lehrgang für die Migranten gibt: Es ist ein gutes Beispiel dafür, dass es möglich ist, Menschen aus fremden Kulturen und krisengeschüttelten Gebieten eine Zukunft in der Schweiz zu ermöglichen. Es gibt vergleichbare Integrationsprogramme in verschiedenen Kantonen, aber auch diese gehen meist ohne öffentliches Scheinwerferlicht über die Bühne. Es wäre schön, wenn sich dies ändert und die Medien mehr darüber berichten.

Giuseppe Gracia, Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur.
Foto: Thomas Buchwalder

Giuseppe Gracia (52) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seiner BLICK-Kolumne, die jeden zweiten Montag erscheint, äussert er persönliche Ansichten.

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